Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, März 1991

Betroffenheit, die sehr schnell nach den ersten Kriegstagen der Normalität und dem sich Abfinden wich. Nicht zuletzt durch einen perfekt organisierten Me- dienschwindel. Ein Krieg, der uns zeigt, wie weit es her ist mit der Medienfreiheit. Ein Krieg aber auch, der uns zeigte, wie schnell die Politik auf den Misthaufen der Ge- schichte geworfen wird und - koste es was es wolle - militärischer Logik wei- chen muß. Nicht zuletzt ein Krieg, der uns zeigte, welche verheerenden Auswirkungen ~ede militärische Auseinandersetzung m auch nur halbindustrialisierten Re- gionen aufMensch, Natur und Umwelt hat. Seine Spuren und die Spuren der Ohnmacht, Wut und Trauer über ihn; hat dieser Krieg auch in Steyr hinterlas- sen. Obwohl die GAL-Steyr das Thema Golfkrieg in einer aktuellen Stunde des Gemeinderates zur Sprache brachte, waren die Stadtväter nicht bereit, sich öffentlich mit einem fast alle Bürger- Innen bewegenden Thema auseinan- derzusetzen oder eine Stellungnahme abzugeben. War es Feigheit oder das allgemeine Gefühl der Ohnmacht oder Angst oder das Wissen, Politiker einer Stadt zu sein, deren Name mit der Aufrüstung des Irak immer wieder in Verbindung gebracht wurde? Bereits 1983 lieferte die Steyr-Daimler- Puch AG tarngefä.rbte Militär-LKW im Gesamtwert von immerhin fast 1,5 Milliarden Schillingnach Bagdad {Profil 8/91, S. 33). Freilich handelt es sich da- bei formal nicht um Rüstungsgüter im Sinne des österreichischen Kriegs- material-Ausfuhrgesetzes. Aber als Schulbusse wird sie Saddam Hussein auch nicht verwendet haben ... Steyr-Daimler-Puch: Wir bringen die Soldaten an die Front! Unter dem Titel „Saddams Fremden- legion" legte der US-Senator Helms am 6. September 1990 Präsident Bush eine Liste von Firmen vor, die den Irak militärisch aufrüsten. Bereits auf der ersten Seite befindet sich Steyr - wahr- scheinlich ein Name mit Weltruf. Die Steyr-Anlagenbau war gemeinsam mit mehreren anderen Unternehmen an der Errichtung einer Munitionsfabrik im Irak beteiligt. Und schließlich titelten noch während der ersten Kriegstage die Oberöster- reichischen Nachrichten (25.1.1991): „Golfkriegbeschleunigt Steyr-Hoffnung in USA". Steyr-Nutzfahrzeuge rechnet mit einem großen Auftrag der US- Army, die auf Grund des Golfkrieges einen erhöhten Bedarf an Militärlast- wagen hat. Hauptsache, der Schilling rollt! Aber Steyr ist auch anders: Seit Anfang Jänner und bis Ende des Gemetzels am 'Persischen Golf fand jeden Samstag am Stadtplatz eine Mahnwache unter demMotto „Schwei- gend die Stimme erheben" statt. Die zwischen 20 und 80 Teilnehmerinnen brachten bei diesem Schweigen für den · Frieden ihre Wut und ihre Ohnmacht über den Krieg und dessen Unzahl an Verletzten und Toten zum Ausdruck. ,,Ich stehe fast jeden Samstag hier," meinte ein Teilnehmer „weil ich trauere um die Opfer einer Politik der Dumm- heit, die der militärischen Logik Vorrang vor den Mitteln der Friedenssicherung gibt." Auf zu den Kundgebungen mitge- brachten Plakatenwurde die Bundesre- gierung auch immer wieder aufgefor- dert, sich neutral zu verhalten und kei- 1?-.e Kriegsmaterialtransporte durch Osterreich zu genehmigen, sowie in der UNO keine Möglichkeit für einenW af- fenstillstand ungenutzt zu lassen. An diese Waffentransporte durch und über unser Land knüpfte schließlich auch eine Aktion einiger Steyrer Frie- densaktivistinnen an, die an mehreren Brücken und Gebäuden in der Stadt TransparentemitderAufschrift „Stoppt dieWaffendure:µfuhr" oder „Keine US- Panzer durch Osterreich" anbrachten. Ein deutliches Zeichen des Widerstan- des gegen eine Bundesregierung, die Seit derletztenTarifreformgibt es neben vielen Teuerungen beim Verkehrs- betrieb der Stadt Steyr auch eine durch- aus positive Initiative - die Fami- lienermäßigung. Herrlich! EinAusweis, der öS 30,- kostet, erlaubt es, Familien ein Jahr lang zum halben Preis die Städtischen Autobusse zu benutzen. Endlich wird Steyr familien- und kin- derfreundlich, meint der unkundige Kunde und denkt dabei an den Famili- en-Halbpreispaß der ÖBB: Nach Kauf eines Familienausweises kann ein El- ternteil mit zumindest einem Kind die Eisenbahn mit 50 % Fahrpreisermäßi- gung benutzen. Doch in Steyr ist alles anders: Ich kaufe mir den Familienausweis (Farnilienbei- hilfenkarte ist vorzulegen!) und möchte - ungeduldig, wie ich bin - dieses tolle Angebot gleich bei der nächsten Auto- busfahrt mit meinem Sohn nutzen und die Halbpreisermäßigung in Anspruch nehmen. Doch denkste: ,,Familie sind Sie nur gemeinsam mit Ihrer Frau!" klärt mich der Buslenker auf. Ich könne schon zum halben Preis fahren, muß allerdings zumindest Halbpreiskarten für 2(!) Erwachsene lösen (obwohl ich alleine mit einem Kleinkind unterwegs bin) oder eben „als ganze und richtige Familie"mitdemBusfahren.Ichglaub's nicht - doch die Tarifbestimmungen geben dem Chauffeur recht. Also merke: 1. Für die Stadt Steyr sind Familien nur Vater und Mutter und Kind - und die müssen gemeinsam in Erscheinung tre- ten. Alleinerzieherinnen sind zu dis- Schnaubelt Fest & Spiel Spielsachen & Spiele aus Holz Knobelspiele Geduldspiele Umweltspiele Kreativspiele Familienspiele Holzpuzzle Marionetten Spielkarteien Michaelerplatz t3 4400 Steyr 0 72 52/66 7 95 Schritt für Schritt in die Kriegsvorbe- reitungen hineinstolperte. Auch ein deutliches Zeichen, daß es außerhalb des Steyrer Gemeinderates sehr wohl Männer und Frauen gibt, die sich vom Leid des Krieges betreffen lassen und gegen diese unmenschlichste Art der ,,Konfliktlösung" versuchen aufzuste- hen. kriminieren. Sieht so sozial- demokratische Familienpolitik aus? 2. Fahrpreiser- mäßigungen - · in unserem Fall für Menschen mit Kindern - sind so zu ge- stalten, daß sie Christoph Jungwirth nur von wenigen und nur ganz selten in Anspruch genommen werden können. Denn die städtischen Busse als „richti- ge Familie" im Sinne des Magistrats zu benutzen (und damit die Familiener- mäßigung zu beanspruchen), ist wohl nur möglich, wenn beide Elternteile Urlaub oder Freizeit haben - also im Normalfall amWochenende. Und dann verkehren die Autobusse nur einge- schränkt oder wie z.B. auf der Linie 6 (Waldrandsiedlung-Stadtplatz) zwi- schen Samstag 16.30 Uhr und Montag 7.15 Uhr überhaupt nicht. Nachsatz: Das Anbringen von Gurten zum An- schnallen von Kinderwägen während der Autobusfahrten könnte sich als benutzerlnnenfreundliche Maßnahme herausstellen, könnte die Sicherheit der Fahrgäste sowie der Babies in den Kinderwägen erhöhen und wird somit, trotz mehrmaliger Anfragen, in den Bussen des städtischen Verkehrsbe- triebs unterlassen. Christoph Jungwirth ERZE'ITUNG \' ·1

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2