Grüne Bürgerzeitung, Nummer 4, Dezember 1990

4 Verbaut sich Steyr seine Zukunft? Das atemberaubende Wachstum der Stadt in den letzten Jahrzehnten: Ich möchte mit einem Zitat aus dem Amtsblatt 10/90 beginnen. Dort schreibt unser neuer Umweltstadtrat, Dkfm. Helmut Zagler: ,,Aufgrund des geringen Grundareals der Stadt Steyr ist auf die sparsame Verwendung des unbebauten Bodens zu drängen. Landwirtschaftliche Flächen sind umweltfreundlich zu bearbeiten. Geeignete Naturlandschaften (z.B. Steyr-Auen) sind unter Schutz zu stellen. All diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die, Leihgabe Um- welt' auch für unsere Kinder und Kindeskinder lebenswert zu erhalten." Dem möchte ich seibstverständlich nicht widersprechen, im Gegenteil: Ich möchte illustrieren, wie spät diese Einsicht kommt und wie dringend es ist, daß sie mit größter Konsequenz in die politische Praxis umgesetzt wird. Zu diesem Zweck habe ich eine Grobabschätzung der verbauten Fläche im Gemeindegebiet vorge- nommen und dieser den Zustand um die Jahrhundertwende gegenüberge- stellt. Ich habe dazu die jeweiligen Gebiete auf einem mit Klarsichtfolie über- deckten Plan der Gemeinde urnran- det und nachher auf Millimeterpapier die Flächen bestimmt. (Es kam mir nur auf die Größenordnung an. Wenn beim Magistrat genaue Daten vorliegen, sollen sie veröffentlicht werden. Sonst aber sollte man sie schleunigst erheben, was jeder Ferialarbeiter in einer Woche zuwege bringen müßte.) Das Ergebnis: Verhaute Fläche um 1900: 180 Hektar (Größen- ordnung); um 1990: 1.250 Hektar. Das bedeutet, daß sich die verbaute Fläche versiebenfacht hat !! (Ich fände das Resultat auch erschrek- kend, wenn sich herausstellte, daß es ,,nur" eine Verfünffachung war). Weitere ca. 250 Hektar, die um 1900 noch mit dem Umland zusammen- hingen, sind heute von verbautem Gebiet umschlossen. Wenn ich im folgenden die Stadtteile aufliste, die erst in diesem Jahrhun- dert entstanden sind, so bitte ich Sie, sich zu erinnern, wann sie gebaut wurden: Münichholz, Ennsleiten, Steyrwerke- Gelände, Klein-aber-mein, Neu- schönau, Pyrach, Reichenschwall, Christkindlsiedlung, Schlüsselhof- siedlung, Gründbergsiedlung, Tabor, Großteil des Krankenhausareals, Schlühslmayrsiedlung, Resthof. Gerade die zuletzt genannten Gebiete sind besonders jung. Ich glaube, es ist eine einigermaßen realistische Annahme, daß 2/3 der gesamten Fläche nach 1950 verbaut wurde. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich, daß in Steyr seit Jahrzehnten täglich 500 Quadratmeter verbaut werden! Es mag einem wenig sagen, daß bei gleichmäßigem Anhalten dieses Trends in 75 Jahren das gesamte Gemeindegebiet zugebaut wäre, mitsamt allen heute noch völlig ländlichen Gebieten (z.B. zwischen Wolfernstraße und Gleink oder von Gleink/Dornach bis zur Enns). Vielleicht ist es anschaulicher, daß wir in 20 Jahren (wie alt sind Sie dann?) die Hälfte der 1950 noch freien Fläche verbaut haben werden! Oder, noch unmittelbarer: Wie lang wird zwischen der Ennser Straße und Stein/Gleink noch eine landwirt- schaftliche Fläche existieren? Wie alt sind denn die Gebäude an der Ennser Straße, daß uns ihre Häßlich- keit schon wieder selbstverständlich geworden ist? (Zgonc, Impex, Brauhalle, KGM...) Ich fürchte, der Post-Neubau bei Gleink ist in diesem Naturtextilien - Naturmatratzen - Gesundschuhe NATURHAUS MESSNER 4400 Steyr, SierningerstraBe 39, Telefon o 72 52/65 9 31 GRÜNE Bereich der Anfang vom Ende. Wie groß ist die Fläche, die unter der ,,Nordspange" verschwinden soll? Um wieviel größer ist die landwirt- schaftliche Fläche zu beiden Seiten, die entwertet wird, die eigentlich gar nicht mehr für Nahrungserzeugung verwendet werden dürfte? Ich möchte diese Darstellung in erster Linie als Denkanstoß verstanden wissen. Ich möchte die Frage stellen, ob Steyr mit Gewalt zur Großstadt gemacht werden muß, ob die Straßenverbindungen wirklich so weltstädtisch werden müssen, wie lang die Stadt immer neue Betriebe ansiedeln wird, immer mehr Pendler in grauslich abgasenden Autos anziehen wird, immer mehr Wohnun- gen für die bauen müssen wird, denen das Pendeln zu dumm wird ... Lösungen des Dilemmas sind freilich nicht leicht anzubieten. Vielleicht läge ein Ansatz darin, sich darauf zu besinnen, daß Steyr das Zentrum eines ganzen Bezirks ist, der bis vor Kronstorf, vor allem aber bis an die steirische Landesgrenze reicht. Ich kann darin nicht den Auftrag sehen, diesen Bezirk zum häßlichen Wasser- kopf werden zu lassen, alles an sich zu reißen, Steuern, Arbeitsplätze, Schulen, Umweltdreck, etc. Sollte man mit den Gemeinden von Steyr- Land nicht viel enger zusammenar- beiten, statt sie unter Zerstörung der Eigenart unserer (ehemals ?) so liebenswerten (Klein-)Stadt allmählich auszusaugen? Das hieße freilich versuchen, sich gegen einen Konzentrationsprozeß zu stellen, den die Wirtschaft anschei- nend will, und der sich bisher mit einer Selbstverständlichkeit durch- setzt, die ihm scheinbar den Charak- ter eines Naturgesetzes verleiht. Ich weise deshalb noch einmal auf die oben genannten Zahlen hin. Sie ließen sich ergänzen durch Untersuchungen, wie die Umweltbelastung zunehmen muß (und die Lebensqualität ab!), wenn der Prozeß so weitergeht. Ich meine deshalb, daß dem scheinbaren „Naturgesetz" tatsächliche, massive ökologische Sachzwänge entgegen- stehen. Es gilt umzudenken und, vor allem, rasch „umzuhandeln". Es gilt, das Umland Steyrs viel stärker in die Überlegungen einzubeziehen. Es geht darum, das Augenmaß für angemes- sene Größenordnungen (von Betrie- ben, von Straßen, etc.) wieder zu ent- wickeln. Zu allerletzt zitiere ich noch einmal aus dem Amtsblatt, eine Nummer vor Stadtrat Zaglers wirklich erfreulicher Erklärung: ,,Starkes Engagement der Stadt Steyr für Industrieaufschließung Hinterberg: Die Aufschließung des 62.000 m 2 großen Industrieareals in Hinterberg im Nordosten der Stadt ist in vollem Gange ... Die Aufschließung des Areals wird auf kürzestem Weg von der Haager Straße über die

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