Grüne Bürgerzeitung, Nummer 1, März 1990

BÜRGERZEITUNG Als die Umfahrung der Innenstadt fertig war, wurde das nächste Ba- nausenstück gesetzt. Die Stohl-Villa an der Tomitzstraße und das dane- benstehende herrschaftliche Ge- bäude an der Werndlstraße wurden demoliert, um einen Bauplatz für das vielleicht häßlichste Gebäude in Steyr, das Forum-Kaufhaus, zu schaffen (5). Die Stohl-Villa war nicht alt. Sie stammte wie die meisten Villen aus der Jahrhundertwende. Aber sie war in ihrer Bauart und in ihrer Ausstattung ein Einzelstück. Die Steyrer Zeitung berichtete in einer ihrer Ausgaben 1974, daß Bür- germeister Weiss die geschnitzten Holzbalken in sein Wochenendhaus in Hinterstoder transferierte - an- geblich zu einem tollen Preis. Wo die Butzenscheiben und das restli- che Inventar hinkamen, weiß man nicht. Das benachbarte Gebäude hatte Kreuzrippengewölbe und son- stige schützenswerte Baudetails. Übriggeblieben ist lediglich der alte Kastanienbaum, der jetzt zwischen Gehsteig und Straße steht. Geschichte Ein vielleicht noch größerer Skandal war die Demolierung des Landgutes Neulust an der Stelzhamerstraße, die die Handelskammer auf dem Gewissen hat (3). Ursprünglich sollte das Gebäude, das einen gotischen Kern und ein barockes Außeres aufwies, von der Stadtgemeinde gekauft werden. Die Handelskammer, die ihre Bezirksstelle Steyr im Neubau an der Promenade gut untergebracht hatte, kam mit der Republik überein, ein Grundstück in Linz mit dem Haus an der Promenade zu tauschen. Anstatt die Bezirksstelle in dem herrlichen Neulust-Schlößl unterzubringen, wurde es brutal abgerissen und ein scheußlicher Neubau hingestellt, der mit Architektur nicht viel zu tun hat. Der Stadthistoriker Brand! schrieb treffend in seiner Steyrer Ge- schichte: "Ein Beispiel für blödes Bauen". Geschleift wurde auch die Spitalsky-Villa (5), als sie 1978 dem Neubau der Arbeiterkammer- Außenstelle weichen mußte. Dabei hatte der ehemalige Steyr-Werke- Direktor Anton Spitalsky 1909 das Haus der Stadt vermacht mit der Auflage, es für ewige Zeiten für bedürftigen Bür- gern als Wohnstätte zur Verfügung zu stellen. Dieses Vermächtnis wurde eindeutig gebrochen. Das Gebäude der AK ist wenigstens ge- schmackvoll ausgefallen, wenn es auch von seinem Nachbarn Forum- Kaufhaus etwas abgedrängt wird. Eine weitere Villa wurde 1981 de- moliert, wenn auch aus einem ande- ren Grund. Es handelt sich um die sogenannte Steindl-Villa, die an der Ecke Werndlstraße-Reithoffergasse stand. Sie wurde 1874 in einem an- sprechendem Stil erbaut, war von 1894 bis 1934 im Besitz der Familie und der Firma Reithoffer und später im Besitz der Stadtgemeinde. Zu- letzt war sie schon etwas abgewohnt, renovierungsbedürftig. Sie mußte einem Wohnhausprojekt weichen. Kehren wir wieder auf den Stadt- platz zurück. 1984 wurde das Hart- lauerhaus eröffnet, das als das Non- plus-ultra des modernen Einkaufens gepriesen wurde. Geopfert wurde dafür zwar kein gotisches Haus, aber immerhin ein Althaus, das im Inneren aus dem 19. Jahrhundert. stammte. Manche Steyrer werden sich noch an die Eisensäule im Ver- kaufsraum der Firma Eisen-Hofer erinnern. Nun stellt sich das Haus im Inneren als ausgehöhltes Skelett dar. Die Stadtplatzfassade blieb zwar erhalten, doch wenn man die Dachregion sieht, wird es grausam: Die Dachgaupen sind überdimen- sioniert und in der linken Seitenfas- sade tut sich ein Fenster mit unre- gelmäßigen Seiten auf, das einfach schrecklich aussieht. Ebenfalls ein Produkt der Firma Hartlauer ist die Aushöhlung des Erdgeschoßes des ehemaligen Kris- zan-Hauses (Stadtplatz 44). Der ge- wölbte Gang verschwand ebenso wie die alte Treppe. Dafür wurde eine neue Stiege eingebaut, die sich schamhaft an die Außenmauer an- lehnt. Das Haus wurde "durchsichtig" gemacht, dort wo frü- her Intimität herrschte. Noch brutaler wurde mit dem Nie- dermetzeln des Hoftraktes des Hauses Stadtplatz 40 vorgegangen, wofür der neue Hausbesitzer August Reichenpfader verantwortlich zeich- net (6). Begonnen wurde mit den Bauarbeiten ohne Firmenschild, als ob Pfuscher am Werk gewesen wären. Der Einsturz eines Gewölbes, bei dem ein Arbeiter schwer verletzt wurde, läßt darauf schließen, daß wirklich keine Fachleute am Werk waren. 7

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