Grüne Bürgerzeitung, Nummer 4, Dezember 1988

GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG Fremdenverkehr in Steyr Steyr und das Christkindl Weihnachten in einer sogenannten „Christkindlstadt" ist für uns Grüne Anlaß genug, einmal ausführlicher über den Fremdenverkehr und seine möglichen Auswirkungen auf Steyr nachzudenken. So haben wir uns z.B. vor kurzem mit W. Neubaur, dem neuen Fremdenverkehrsdirektor, zusammengesetzt und mit ihm ein recht ausführliches Ge- spräch geführt. Er will Steyr besser verkaufen als bisher. Was sagen die Steyrer dazu? Als ich vor kurzem einigen Besorgungen am Stadtplatz nachging, sprach mich ein offensichtlich leicht verwirrter Herr mittleren Alter an, um sich nach dem Standort des hie igcn Christkindlmark- tes zu erkunden. Als ich ihm zu erklären versuchte, daß es heuer in Steyr keinen Christkindlmarkt gäbe, war dieser mehr als erstaunt, schüttelte den Kopf und meinte, es sei wohl ein Fehler gewesen, mit seiner mit ihm aus Wien angereisten Frau, diesen für selbstverständlich ge- haltenen Markt als Treffpunkt auszusu- chen. - Nach dem Christkindlmarkt ge- fragt, wird man angeblich in Steyr heuer des öfteren. Nicht nur den auswärtigen Besuchern erscheint es recht unver- ständlich, wie eine „Christkindlstadt" so einfach auf ihren Christkindlmarkt ver- zichten konnte. Vielleicht ist es sogar ty- pisch für die nicht sehr glückliche Frem- denverkehrspolitik der letzten Jahre, daß man gern als etwas erscheinen möchte, woran man im Grund selb t nicht so recht glaubt. Steyr, die Christkindlstadt ganze Regionen in einem regelrechten Ausverkauf letztlich ihren Charakter, ihre Identität geopfert haben. Trotzdem sieht der neue Fremdenverkehrsdirek- tor keine derartig gelagerten Gefahren für Steyr. Im Gegenteil: ,,Verstärkter Tourismus und die damit verbundenen Entwicklungen bringen auch für die Ein- heimischen I)lehr Lebensqualität", meint er und verweist auf die Attraktio- nen wie die Steyrtalbahn und ein mögli- cherweise verbessertes Angebot im gast- ronomischen Bereich. 4/881 Vorschläge im Hinblick auf ein Hand- werks- und Gewerbezentrum (inkl. Lehrpfad) in Steyrdorf. Kleinstädtische Ideen statt altstädtische Lösungen Befragt nach seinen konkreten Plänen und möglichen Initiativen des Fremden- verkehrsverbandes für Steyr, nennt Dir. Neubaur u.a.: + Erweiterung des künstlerischen/kul- turellen Agebotes (z.B. Öffnung der Bibliothek im Schloß Lamberg) + Vergrößerung des gastronomischen Angebotes (auch an Wochenenden) vor allem im innerstädtischen Be- reich. + Weitere Initiativen zur Weihnachts- zeit (z.B. einen attraktiven Christ- kindlmarkt auf einem womöglich autofreien Stadtplatz!) + Ausweitung des Kongreßgeschäftes in Steyr + Verstärkte Zusam- menarbeit mit den Umlandgemeinden zur Erschließung ländlicher Attraktio- nen (,,Natur zum Anfassen", ,,Most- straße", .... ) Bei aller liebgewordenen Tradition und echter Einzigartigkeit: Steht dieser schönen Stadt überhaupt dieses süßlich volkstümliche, mit Lametta besetzte Mäntelchen, überhaupt, das ihr aus Gründen der Vermarktung umgehängt wird? - ,,Die Christkindlstadt darf nicht allein stehen", meint Direktor Neubaur und verweist auf verschiedene Kon- zepte, spricht vom „kunsthistorischen Juwel" und von der klassischen Prädesti- nation für den Städttourismus, will aber aus eben diesen Vermarktungsgründen auf „volkstümliche" Veranstaltungen, wie einen Musikantenstadel nicht ver- zichten. Aufder Fahrt nach Christkindl: Werbung fiir die Christki11dlstadt Keine Frage ist für ihn die Notwendigkeit einer Verkehrsberuhigung im Altstadtbereich (sprich: Für ihn, den Fremdenverkehrsmanager, ist Vermarktung naturgemäß das Um und Auf. Er glaubt an die touristische Attraktivität dieser Stadt, meint, daß bei entsprechender Werbung, Steyr ein- schlagen würde, wie ein „Sonderange- bot". Immer wieder ist die Rede vom ,,Verkaufen", sodaß es einem Normal- verbraucher richtig angst und bang wer- den könnte, zumal es nicht an in- und ausländischen Beispielen mangelt, wo Fremdenverkehr ist nicht erzwingbar Wir von der GAL glauben, daß bei aller positiven Einstellung zum Fremdenver- kehr und den damit verbundenen Chan- cen, allerdings eine gewisse Skepsis vor allzu großen Erwartungen angebracht bleibt. Zunächst soll es um die Lebens- qualität der Bewohner dieser Stadt ge- hen, sie sollen „ihre" Stadt nach ihren eigenen Bedürfnissen planen und ge- stalten können. Wie uns auch Herr Neu- baur konzidiert, ist Selbstbewußtsein, Eigenständigkeit und Charakter einer Stadt und ihrer Bewohner auch punkto Fremdenverkehr wieder mehr gefragt. Eigenständigkeit und Charakter bewah- ren hieße, zu dem stehen was Steyr (noch) ist und bleiben soll: Handels- platz, Arbeiterstadt mit einer reichen gewerblichen u. industriellen Tradition. Abgesehen vom Museum Arbeitswelt im Wehrgraben - ein Meilenstein in die richtige Richtung - ist das „Angebot" in dieser Richtung eher dürftig. Wir erinnern uns an dieser Stelle an GAL- autofreier Stadtplatz). Mit „ich bin kein Saubermann" lädiert er aber für behutsame Lösungen. In An- lehnung an ähnliche Entwicklungen in anderen Städten glaubt er an einemittel- fristige Realisierung (,,2 Jahre wird man noch kämpfen müssen") auch in Steyr. Dabei sind entsprechende Parkgebüh- ren für zentrumsnahe Parkplätze (die es in Steyr vergleichsweise noch sehr häufig gibt) für ihn kein Tabu. Im übrigen klagt er, der gebürtige Salz- burger und langjährige Fremdenver- kehrschef von St. Wolfgang, wen wun- derts, über zuwenig Geld für Öffentlich- keitsarbeit und Werbung und redet vom Angewiesensein auf private Ideen und Initiativen. Wir Grüne werden ihn beim Wort nehmen. Georg Neuhauser

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