Die Stiftskirche von Garsten

Allmählich wurden aber ernste Bedenken laut, ob nicht das gewaltige Unter ­ nehmen die finanziellen Kräfte des Stifts übersteige und ob die Zeit voll Krieg, Hunger und Pest für ein solches Werk geeignet sei. Als dem Abt dieses und andere „Gravamina “ schriftlich überreicht wurden, sprach er das schöne Wort: „er wolle lieber das zwar beraith Landt-Kündige gebeu einstöllen als contradicente Capitulo solches fortführen “ . Als aber in einer neuen Beratung am 12. April 1677 alle Konventmitglieder ihr Gut ­ achten abgegeben hatten und alles Für und Wider erwogen war, kam es doch zu einem einhelligen Beschluß auf Beginn der Arbeit und noch am gleichen Tage wandte man sich an den Bischof von Passau mit der Bitte, die Gebeine des hl. Berthold erheben und in die Pfarrkirche übertragen zu dürfen 71 ). Am 21. April 1677 wurden die neuen Seitenaltäre abgetragen und kamen zur Neuaufstellung in die Pfarrkirche, der Hochaltar folgte später nach. Die eigentliche Abbruchsarbeit begann am 26. April 1677 mit einer feierlichen Messe, an der alle Arbeiter teilnahmen. Die letzte Konventmesse im alten Gotteshaus hielt P. Anselm am 3. Mai, von da an geschahen alle kirchlichen Verrichtungen in der vor den Mauern liegenden Pfarrkirche. Am 6. Mai wurde das vorne an der Evangelienseite befindliche Stiftergrab eröffnet. Man fand die Gebeine der Markgräfin Elisabeth, einer Schwester des hl. Leopold, darunter und von diesen abgesondert die Gebeine Otakars. Auf der Stirne Otakars lag ein vergoldetes Reliquienkreuz. Zwei Bleitäfelchen in der Größe von 7x5 cm mit einer Inschrift in gotischem Schriftcharakter kennzeichneten die Skelette. Eine dritte Tafel (12 x 16 cm) berichtete von der 1347 erfolgten Neubeisetzung des Stifterpaares 72 ). Die zwei Leiber wurden vorerst in den Kapitelsaal übertragen und kamen später in die Kapelle des Stiftspitals, wo sie bis zur Übertragung in die neue Kirche ruhten. Am 3. Juni 1677 — es geschah abends nach der Complet, um den Zulauf des Volkes zu verhindern — wurde das Grab des hl. Berthold mit einem Schlüssel eröffnet. Man fand die Gebeine in großer Unordnung und mit Erde verschlammt. Als man aber die Knochen aneinanderreihte, zeigte es sich, daß kaum etwas fehlte. Sie wurden in einen Kupfersarg gebettet, während daneben vorgefundene Glas- und Tonscherben, Kleiderreste und „ein sonderartiger formierter Trumb “ , einem alten Pastorale nicht unähnlich, in eine andere Truhe kamen. Alles wurde für diesem Abend in die Krankenstube gebracht. Am andern Pag um 6 Uhr früh bemühte man sich, die Gebeine zu waschen. Der Garstner Hofmaler Staindorfer zeichnete den Umkreis des Knochengerüstes mit Kreide auf dem Boden und ermittelte eine beiläufige Länge von sechs Werkschuhen. Man glaubte auch, am vorstehenden Kinn des Schädels eine Ähnlichkeit mit der Plastik des Grabmales festslellen zu können. Um 8 Uhr wurden die Reliquien in feierlicher Prozession in die Pfarrkirche übertragen und dort in der Mitte des Hauptschiffes in einer Gruft beigesetzt, Diese wurde mit hölzernen Schranken umgeben, die zuvor am Musikchor der alten Kirche Verwendung gefunden hatten. Davor wurde der Bertholdialtar von 1630 aufgestell Am 13. Juli 1677 begann man die Fundamente zu graben. Schon am 23. Juli war die größte Tiefe mit 19 Werkschuh erreicht. Man fand festen Grund, aber auch schon das Grundwasser. Verschiedentlich stieß man auf Särge von zu alter Zeit hier begrabenen Edlen. In der Nähe des Bertholdigrabes fand man drei große, leere Ton ­ gefäße, deren Zweck man sich nicht erklären konnte. Am 5. Oktober 1677 wurde die feierliche Grundsteinlegung vorgenommen. Man hatte am Ort des späteren Hochaltares einen Altar errichtet. Am Platz der neu ausge ­ steckten Sakristei nahm der Abt die Pontifikalien, die Musik hatte bei der alten Losen- steiner Kapelle Aufstellung genommen und „ließ sich mit Trompeten und Hörpaukhen 16

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