Festführer 550 Jahre Steyrer Bürgerkorps 1933

-Zum Geleit und Willkomm! „Senne Wochen — frohe Feste . . ." gilt dies (Ooetl)eroort in unserer wol)! noch nie dagewesenen Notzeit Überhaupt nod) ? Man wäre versucht, diese Frage zu verneinen. Und doch dürfen wir auch in diesen trüben Tagen den Mick für höheres nicht verlieren, wir müssen vielmehr gerade jetzt aus den Alltags- tiefen emporstreben. Unsere aufgewühlte, ruhelose, vielfad) an sich selbst irre gewordene Zeit bedarf einer festen (Orientierung und diese geben uns außer der Religion nod) die heimatliebe und die Geschichte. Letztere soll ja doch endlich unsere Lehrmeisterin werden, aber auch unsere Trösterin, die uns mit Zuversicht für die Zukunft erfüllt. Und vor allem ist es die Heimatgeschichte, die diese Aufgabe am besten zu erfüllen vermag, die Heimatgeschichte ladet uns ein, echte Heimatfeste zu feiern, um aus ihnen wieder Kraft zu schöpfen, daß wir den harten Kampf mit der Zeiten Not leichter bestehen können. Diesem Grundgedanken dient and) die 550 Jafyrfeier des Steyrer Bürgerkorps am 5. und 6. August 1933. Wohl hätte dieses gewiß seltene Gedenkfest schon vor drei fahren gefeiert werden können, denn die Gründung, bezw. erste urkundliche Erwähnung der organisierten bewaffneten Steyrer Bürgerschaft fällt in das fahr 1380. Vor drei fahren ließen es die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der alten Eisen stad t Steyr geraten erscheinen, diese Gedenkfeier auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Als der Beschluß gefaßt wurde, das Bürgerkorps-fubiläum im August dieses fahres zu begehen, hatte sich wohl das innenpolitische Bild Österreichs bedeutsam gewandelt, leider aber nicht das wirischaftspolitische. Bei Beginn der vorarbeiten zur SSO - fahrfeier dad)te wohl noch niemand da ran, daß ein in (Österreichs Geschichte selten mit solcher hinreißen­ der Elementargewalt in Erscheinung getretenes Aufflammen österreichischer Vaterlandsliebe zu verzeichnen fein werde, wie es die letzten Monate zur Tatsache werden ließen. Ganz natürlich, ja naturnotwendig fügt sich der Grund­ gedanke der Jubelfeier unseres Steterer Bürgerkorps in das Leben­ bejahende Wiedererwachen des Österreichischen vaterlandsgedan- kens, des österreichischen Selbstbewußtseins und der österreichi­ schen Sreibeitsliebe ein. Das waren ja während der langen 550 fahre des Bestandes des Steyrer Bürgerkorps die Leitgedan­ ken dieser in Krieg und Frieden so hochbedeutsamen (Organist tion. Stets diente Steyrs bewaffnete Bürgerschar dem vaterlande «Österreich, mochten die Zeiten auch oft hart und trüb sein. Für (Ordnung, Gesetz und inneren Frieden, zum Schutze des bedroh­ ten Lebens und Eigentums der ganzen Bevölkerung, aber auch für wahre Freiheit und gefunden Fortschritt, für die unentbehr­ lichen Grundpfeiler der Gesellschaft ^ Religion und deutsche Sitte traten die vielen Tausende ein, die seit mehr als einem halben Jahrtausend dem Steyrer Bürgerkorps angehörten. Das ist das Vermächtnis der vielen, deren Leib schon längst in Staub zer­ fallen, deren Geist aber in jenen Männern fortlebt, die jetzt die 550-fahrfeier, geschart um ihre ehrwürdige Fahne, im Ehrenkleid des Bürgerkorps miterleben dürfen. Und diesen Geist hüteten gerade sie in einer der aufgewühltesten Epochen der Mensch­ heitsgeschichte — diesen Geist werden sie in den jungen Steyrer Bürgern als ihr heiligstes Vermächtnis vererben für hoffentlich bald kommende friedlichere, glücklichere Tage, in denen die leid­ geprüfte Vaterstadt wieder aufblühen möge I Ihr, liebwerte Kameraden, die Ihr aus Nah und Fern ge­ kommen seid, mit uns Steyrern die 550-fahrfeier zu begehen, seid vom gleichen Geiste durd)drungen, vom gleichen Streben beseelt, wir grüßen Euch, Brüder, aufs herzlichste und danken Euch für Euer kommen, das uns nicht nur aufrichtig freut, sondern auch im höchsten Grade ehrt. Ihr helft mit unser Jubelfest zu verschö­ nern und zu einer mächtigen Kundgebung altösterreichischer Treue zr> machen. Mögen Eud) die wenigen Stunden, die Ihr in unserer schönen Eisenstadt Steyr am Zusammenfluß der Enns und Steyr verweilet, eine bleibende liebe Erinnerung fürs Leben werden, mögen sie Eud) die Gewähr bieten, daß in einer Zeit gröbster Ichsucht und niedrigen Materialismus nod) Tausende von hohen Idealen beseelt find. Ein Grundgedanke der altehrwürdigen Bürger- und Schützen- Korps ist feit ihrem Entstehen besonders auch die kameradschaft­ liche Verbundenheit und Hilfsbereitschaft. Diesen edlen Gedanken habt Ihr durch Euer Rommen vor aller Welt feierlich bekundet, dieser Gedanke soll bei dem Feste, das wir froh begehen, neue Lebenskraft erhallen. Die alten Freundschaftsbande zwischen den Österreichischen Bürger- und Schützenkorps mögen neu gefestigt und noch inniger geschlungen werden! Aber auch Eud), liebwerte Festgäste aus den anderen kreisen und Ständen unseres deutsch-österreichischen Volkes, die fhr unsere leider zu unrecht oft vergessene oder gar ungerecht beur­ teilte Stadt anläßlich dieses echt Österreichischen Gedenksestes mit Eurem Besuche beehret, sei treudeutscher Willkomm und aufrich­ tiger Dank entboten. Möge es Euch bei uns recht wohl gefallen, auf daß Ihr gerne wiederkommt und auch andere zum Besuche des österreichischen Rothenburg aufmuntert. Die Jahrhunderte alten Häuser unserer Stadt erzählen Eud) von deutschem Arbeitsgeist und nimmermüdem Fleiß, von hohem Kunstsinn mäd)tig aufstrebenden Bürgertu ms, das hohe Münster am Berge mahnt an den tiefgläubigen, aus dem Gottvertrauen, immer neue Wiederstandskraft schöpfenden Sinn unserer Ahnen, die Erzbilder Schuberts und Bruckners künden, daß and) die edle Frau Musica in den Mauern dieser Stadt ein trautes heim fand. Diese Stadt ist auch der Schauplatz der bedeutendsten Ro­ mane der größten deutschen Dichterin Enrice o. Hanclel-Mciz- zetti, hier schasst nod) rüstig der RMedererroedier und Neuge- ftalter entzückendster Stahlschmiedekunst, Meister Michel IZIümel- l)uber. Das Denkmal Joses VDerndls ruft uns die letzte Blüte­ zeit der Eisenstadt ins Gedächtnis. Und von ferne grüßen Eud) die schonen Berge, deren begeisterte Sänger Anton Schosser und Joses Moser in dem trauten Friedhof von Steyr ihre letzte Ruhestatt fanden. Alles, alles ruft eud) ein „herzliches willkommen" zu, vorn mächtigen SdRoffe der edlen (Dttohare von Steyr ange­ fangen bis zum letzten Häuschen draußen an den Berghängen, willkommen, Brüder und GästeI Ernst-froh feiert mit unsere Seste I

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