Eine österreichische evangelische Parochie

Überall knüpft er das Band mit der Kirche fester, erinnert an die evangelischen Gemeindepflichten, stärkt, was sterben will. Das sind willkommene Gelegenheiten, Land und Leute kennen zu lernen und guten Samen auszustreuen. Unvergleichlich sind dieFreuden, die solche pfarrerliche Wegfahrten und Forschungs­ reisen trotz mancher Beschwerden bieten. Wie lernt man es doch lieben, „Das schöne Land, wo stolz die Alpen sich erheben, Das Meer bespült den grünen Strand, Und Nord und Süd die Hand sich geben, — Das schöne Reich, Wo golddurchwirkt die Donau schäumt, Die Myrte grünt in Lüften weich, Und ew'ger Schnee die Gletscher säumt". Zwischen Enns und Steyr dehnt sich die Parochie des Schreibers dieser Zeilen zum größten Teil in dem Dreieck, das die Steyr im Westen, die zischend und sausend im Gesäuse die Ennstaler Alpen durchbrechende Enns im Süden und derselbe Fluß im Osten von Hieflau in nördlicher Richtung bildet. Allerdings erstreckt sich der Süden der Parochie nur bis an die steiermärkische Grenze, während der Norden der­ selben über die Vereinigung von Enns und Steyr hinaus ohne bestimmte Abgrenzung gegen die Parochie Linz zur Donauebene sich ausdehnt. Die Ostgrenze des Flusses überschreitet der freundliche Bezirk der bereits in Niederösterreich gelegenen Stadt Waidhofen an der Ubbs. Zwei Städte mit autonomer Verwaltung und drei Bezirks- hauptmannschasten umfaßt der amtliche Wirkungskreis des Pfarrers. Unter rund 115.000 Katholiken leben etwa 400 Evangelische, wozu eine durchschnittliche Anzahl von 60 evangelischen Strafgefangenen aus vieler Herren Länder in der großen Straf­ anstalt Garsten bei Steyr kommt. Das ist alles, und doch nimmt die Versorgung dieses Häufleins, das im weiten Bezirk zerstreut ist, reichlich die Arbeitsleistung einer- bedeutend größeren, aber geschlossenen Parochie in Anspruch. Bergland im Zuge der nördlichen Kalkalpen von dem fruchtbaren Hügellande nördlich von Steyr bis zu den gewaltigen, über 2000 m hohen Wächtern an der oberen Enns ist das Parochie- gebiet. Sanft steigen die Höhen von Norden an, der Steilabfall richtet sich nach Süden. Bis weit hinan auf die Höhen reichen dichte Wälder, oben breiten sich saftige Almen aus. Schon in unmittelbarer Nähe der herrlich gelegenen landessürstlichen Stadt Steyr lohnt den Aufsteig auf einen der Vorberge die entzückendste Fernsicht. An der Südgrenze des Bezirkes halten die großen Herren des toten Gebirges, vor allem der hohe Priel (2514 m), die Vorlage der Prielgruppe, das Warscheneck (2383 m) und das Pyrgasgebirge mit dem hohen Pyrgas (2240 m) und dem Bosruck (2241 m) die Wacht. Durch letzteren wird jetzt der Tunnel gebrochen, durch den in etwa drei Jahren eine neue Fernbahn Oberösterreich und Steiermark verbinden wird. Die Bahn wird durch das Tal von Windischgarsten die Kremstalbahn erreichen und eine herrliche Alpenlandschaft dem weiteren Verkehr erschließen. Mit Recht hat von diesem fruchtbaren, wohl bebauten Tal, in befielt Grün die Schneehäupter hinein­ schauen, König Friedrich August von Sachsen 1842 gesagt: „Unvergeßlich wird mir bleiben das schöne Tal von Windischgarsten; es ist eines der lieblichsten und groß­ artigsten zugleich, die ich auf meinen Reisen durch Europa gefunden habe." Durchquert wird die Parochie vom Kalkmassiv des Hochsengsengebirges, während die zahlreichen Langtäler von Norden nach Süden immer höhere Berge umgrenzen. So ist die Parochie, obschon ihr Hauptort am Beginn der Ebene liegt, zum guten Teil doch Gebirgsland. Alle Schönheit der alpinen Natur ist in nächster Nähe aus­ gebreitet: Helle und klare Fluten der gischtenden Alpenbäche, wie Säulen ragende

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