Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

410 politischen Fragen, ja die völlige Unterordnung der gesamten Stände- politik auf den Landtagen unter die alles beherrschende Religionsfrage führte die A C zu der Machtstellung, die sie zu Beginn der Regierung Rudolfs II. einnahm. Diese Religionspolitik mußte die protestantischen Landstände in einen Gegensatz zu der Regierung, zu dem katholischen Landesfürsten und zu dem katholischen Kaiser bringen. D a s B an d z w i s c h e n d e r D y n a s t i e u n d d e n S t ä n d e n 1 o c k e r t e s i c h b e- d e n k 1 i c h. Lange wollten die Stände an den grundsätzlichen Gegen- satz zwischen dem Kaiser und dem Protestantismus nicht glauben, ihnen schwebte vielmehr die Gleichstellung der Bekenntnisse bei Hof vor Augen. Die Ausschaltung des Landeshauptmannes unter Rudolf und die direkte Fühlungnahme mit Prag entsprang dieser Anschauung. Die weitgehende Milde Ferdinands L, die Vorliebe Maximilians II. für den Protestantismus und die große Mäßigung Rudolfs II. im Anfange seiner Regierung begünstigten die Auffassung, daß zwar Kaiser und Landesfürst zufällig eine und dieselbe Person waren, daß aber der Kaiser von höherer Warte aus anders verfügen konnte als der Landes- fürst . Als Rudolf mit der Zurückdrängung des Adels auf das Privileg der R ligionskonzession Ernst machte, flohen die Stände vom Landes- fürsten Rudolf zum Kaiser Rudolf. Man glaubte eher an Eigenmächtig- keit und Willkür der Regierung oder des Landeshauptmannes als an den Entschluß des Kaisers, die Religionsreformation mit bewaffneter Hand zu erzwingen. Ein letzter Schimmer der versunkenen mittelalter- lichen Kaiseridee verklärt diese Unterscheidung, die aber in der Sache nicht begründet war. Gewiß belastete die Gegenreformation in Ober- und Innerösterreich nicht den Kaiser, sondern die betreffenden Erz- herzoge, aber im Lande ob und unter der Enns zeigte es sich, daß der Kaiser g·enau so dachte wie der Landesfürst. Gewiß mußte der Kaiser im Reich viele Verhältnisse dulden, die seiner persönlichen Anschauung zuwiderliefen, aber in den Erbländern hatte der Augsburger Religions- friede dem Landesfürsten unwidersprechlich das alleinige und voll- ständige Religionsbestimmungsrecht gegeben. Mit der Glaubenseinheit war die Reichseinheit versunken. Die Idee der Römischen kaiserlichen Majestät beleuchtete wie ein letztes Abendrot die aufgerissenen Spal- tungen. Wenn man sich unter ihre Fittiche flüchtete, so waren es die Fittiche eines Phantoms, keiner Wirklichkeit mehr. Gerade die Glau- bensspaltung lieferte alle Macht den Landesfürsten aus, die so oft gegeneinander standen und sich bekämpften. Der Religionsfriede legte das Religionsbestimmungsrecht in ihre Hände und die Fürsten ge- brauchten es, auch in Österreich. Das war der Sachverhalt. Anders lag die Frage, wie bei einem solchen Gegensatz Dynastie und Volk auf die Dauer zueinander standen. Um 1600 lauerte im Lande ob der Enns bereits im Hintergrunde der Gedanke einer Verbindung mit auswärtigen Mächten, und in Regierungsschreiben tauchten wiederholt Anspielungen auf „sonderbare Konspirationen" auf. Trotz der ganz klaren Rechtslage entsprang die Ru d o 1 f i- n i s c h e R e 1i g i o n s r e f o r m a t i o n im Lande ob der Enns we-

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