Die Landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs

Einleitung. CXCI Die alte geschlossene Villikationsverfassung erscheint durchaus be seitigt, derart, daß nur ausnahmsweise Meierhöfe noch in Eigenregie betrieben werden und das unmittelbare Interesse des Grundherrn an der Wirtschaft selbst in dem Teilbau (Halfen- und Drittelsbau) sowie den „Saighöfen" sich erschöpft. Im allgemeinen sind die Höfe der bäuerlichen Güterordnung eingefügt und ebenfalls zu Zinspacht ausgetan (pro censu locate). Auch die vorkommenden Industrialien (Mühlen besonders) bilden nur mehr als Zins objekte Gegenstand des grundherrlichen Interesses. An Stelle des Villikationssystems ist allenthalben eine Zusammen fassung zu größeren Amtsbezirken (officia) lokalen Zusammenhanges ge treten. Bei den zur Vereinnahmung der Abgaben und Zinse bestellten Beamten (officiales) wird vielfach bereits mit Zuweisung eines Teiles des Zinses oder Enthebung von der eigenen Zinsverpflichtung eine freiere Form ihrer Dienstentlohnung sichtbar, so daß die Zugehörigkeit bestimmter Güter zum Amte als solchen nicht mehr die Regel bildet. Für den Weinbau, der großenteils noch in Eigenregie geführt wird, sind ebenso wie für den Fischereibetrieb und die Forstkultur besondere Organe bestellt und mindestens bei letzterer gleichfalls eine Zusammen fassung und Einteilung nach Ämtern durchgeführt. Die Zinse selbst, viel fach Naturalleistungen (in Getreide), sind, wenigstens in Niederösterreich, großenteils bereits in Geld umgelegt. Der Grundherr hat daneben in der Form von Kleindiensten (Weisat) Anteil an den Erträgnissen der verschie denen Spezialkulturen. Die Frondienste sind nahezu ausnahmslos schon in Geld abgelöst. Das gleiche ist auch bei den Zehentabgaben schon mit unter der Fall, ja es kommt hier bereits eine Verpachtung nach dem Jahres erträgnis vereinzelt vor. Endlieh erscheint eine direkte landesfürstliche Geldsteuer schon voll ausgebildet, wenn sie auch in diesen Urbaren in der Regel nicht mit verzeichnet ist. Hält man dies alles zusammen, so wird man sagen dürfen, daß die Entwicklung Österreichs im 13. Jahrhundert, zumal vielfach noch Verhält nisse der Babenbergerzeit (bis 1246) darin vorliegen, jedenfalls ebenso vorgeschritten ist wie in den anderen deutsehen Territorien, ja manche davon noch überflügelt hat. Unmöglich kann somit die früher aufgestellte Behauptung aufrecht erhalten werden, daß Österreich im Gegensatze zum deutsehen Westen damals noch auf dem Standpunkte verharrt habe, den jener etwa zur Karolingerzeit eingenommen hatte. Vergegenwärtigt man sieh die Machtquellen, welche gerade dem österreichischen Landesfürsten zu Gebote standen und seiner wirtschaftlichen Stellung zugleich wirksam zustatten kamen, so erscheint jene Annahme von vornherein unwahrschein lich. Die großen Vorteile, welche die MarkVerfassung Österreichs bot, bedingten in positiver wie negativer Beziehung eine Stellung, über die andere Landesherren umsoweniger verfügten, als in Österreich damit zu gleich die Erwerbung von Kirchenlehen und Vogteien in einem Umfange

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