Die Stimme Österreichs - Heft 50 - 1952 - Steyr

Vorortebildung an den gegenüberliegenden Gesta- den der Flußläufe in den schmalen und tiefeinge- schnittenen Talsohlen. Ennsdorf, Steyrdorf, Reichenschwall, Schlüssel- hof, Ort und Tabor mit dem Wachtturm, als in sich geschlossene Siedlungsräume, entstanden an den Steilhängen und im Schutzbereich zwischen dem Fluß, bei einer Konglomeratbank oder hinter einer Stadtmauer. Diese Vororte bilden gleichsam den harmonischen Ubergang von der Innenstadt in das Freigelände. Dem Flußlauf folgend, reiht sich Haus an Haus zu beiden Seiten der wichtigsten Verkehrs- bänder, die nach Norden oder Süden führen. Ge- lände- und ortsgebunden ist der Aufbau der Stadt, stilrein und formgetreu sind die Bauwerke, die un- sere Vorväter geschaffen haben; sie mahnen uns heute noch, sie der Nachwelt zu erhalten. Um die Wende des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter des sozialen Fortschrittes und der Industrialisierung, trat eine Neuordnung auf dem Gebiete der Stadt- planung ein und erforderte die Loslösung von der bis dahin bestandenen traditionellen Gebundenheit der Raumordnung. Schließlich lösten die beiden Weltkriege mit ihren Folgeerscheinungen, wie dem unnatürlichen Bevölkerungszuwachs, den Tnkorpo- rationen, der Industrieverlagerung und der Besied- lung der Peripherie, manche städtebauliche Pro- bleme aus. Zwangsläufig mußte sich die Stadtpla- nung der Raumordnung oder Rahmenplanung unter- ordnen. Es galt, in die Zukunft zu blicken, ohne die Eigenart der Vergangenheit zu zerstören, dem Wer- denden ein gutes Fundament zu geben und es in wohlüberdachte Bahnen zu lenken. Durch Eingemeindungen in den letzten Jahrzehn- ten vergrößerte sich das Stadtgebiet von 8 Quadrat- kilometer im Jahre 1922 auf 37 Quadratkilometer. Die Bevölkerung wuchs in dieser Zeit von rund 21.000 auf rund 38.000 Menschen an. Eine große Zahl kleinerer und größerer gewerblicher und indu- strieller Betriebe erweiterte sich. Das Hauptwerk der Stadt, die Steyr-Werke, verlagerte den Betrieb vom Eysnfeld in das Ennsdorf. Ein Zweigbetrieb dieses Werkes entstand nördlich der Bahnlinie St. Valentin-Klein-Reifling in nächster Nähe des Stadtteiles Münichholz. Die Stadtausdehnung erfor- derte die Erschließung des Geländes, und es er- wuchs der Gemeinde eine Fülle kommunaler Arbei- ten. Als natürliche Vorbedingung für die Entstehung und den Werdegang einer Siedlung bis zur Stadt- entwicklung ist gutes Trinkwasser zu bezeichnen. Jede Stadt ist somit bemüht, der auf engem Raum wohnenden Bevölkerung einwandfreies Trinkwasser zu geben. Es langten die vorhandenen Bezugsquellen der Gravidationsanlagen, die um das 14. Jahrhun- dert in Aichet und Steyrdorf, um 1500 am Wieser- feldplatz, in Orl und iu der Innenstadt und später um das 17. Jahrhundert in Ennsdorf entstanden, kaum bis zur Wende des 19. Jahrhunderts aus. Auch durch die Erschließung der weiteren Wasserbezugs- quellen konnte der gesteigerte Wasserbedarf nicht mehr befriedigt werden. Der Grundstein für eine zentrale Wasserleitung wurde bereits 1936 nördlich der Stadt, im 5,5 Kilometer entfernten Brunnenfeld Mitterdietach, gelegt und in der Folgezeit dieses Wasservorkommen für die Stadt nutzbar gemacht. Heute liegen in den Stadtstraßen bereits über 45 Kilometer Wasserleitungsrohre, die täglich 4500 Kubikmeter chemisch und bakteriologisch einwand- freies Trinkwasser dem Verbrauch zuführen. Fast 60 Prozent der Stadtbewohner beziehen aus diesen Leitungen das Trink- und Nutzwasser. Die alten Brunnen und Quellfassungen blieben erhalten. Sie haben wohl ihren nutzbringenden Wert vielfach ein- gebüßt, doch beleben und schmücken sie als Denk- mäler vergangener Zeiten die Plätze und Gassen der alten Eisenstadt. Seit dem Bestande der Stadt diente der Enns- und Steyrfluß zur Abfuhr der Abwässer. Der zwischen den Häusern befindliche Bauwich besorgte die Weiterbeförderung, vermutlich wohl in offenen Gräben, die später überdeckt oder durch Rohre er- setzt wurden. Mit der Vergrößerung und Entwick- lung der Stadt, wie auch der Modernisierung der Heimstätten durch den Einbau hygienischer An- lagen, mußte auch auf dem Gebiete der Entwässe- rung eine durchgreifende Neuordnung eintreten, deren Bedeutung scho~ frühzeitig erkannt, jedoch aus finanziellen Gründen nicht in die Tat umgesetzt werden konnte. In den letzten Jahren bemühte sich die Stadt, das über 30 km lange Kanalnetz durch verschiedene Verbesserungen und Erneuerungen in geordnetere Verhältnisse zu bringen. So wurden unter anderem über 5 km neue Kanäle in den Stadt- teilen Steyrdorf, Reichenschwall, Posthof, Ennsdorf, Ennser-Siedlung und Münichholz v erlegt, di e die Abwässer in wenig konzentrierter Form abführen . Noch fehlt die zentrale Kanalisierung der Stadt, die die gesamten Abwässer aus Wohn- und Industrie- gebieten aufnimmt und sie ordnungsgemäß ableitet. Nach dem Kriege wurde auf dem Gebiete der Stadt- entwässerung ein beträchtlicher Fortschritt erzielt. Diese Leistung ist um so höher zu werten, wenn be- dacht wird, daß die äußerst ungünstigen Gelände- verhältnisse im Entwässerungsbereich so manche Kunstbauten, wie Stollen und Dücker zur Kanal- führung, erforderten. Als Verkehrsknotenpunkt hat die Stadt schon seit ihrer Gründung zu Land und zu Wasser eine bedeu- tende Rolle eingenommen. Die Voralpenstraße, der Handelsweg von Ost nach West, kreuzt sich in Zwischenbrücken mit der Eisenstraße, die von Nor- den nach Süden verläuft. In der Altstadt haben sich diese wichtigen Verkehrswege kaum geändert. Es fehlt wohl manches Stadttor, wie das Gilgentor am Ende der Pfarrgasse beim heutigen Bruckner-Platz, das Schmiedtor in der Schlüsselhofgasse; sie wur- den aus verkehrstechnischen Gründen abgetragen . Durch die Kriegseinwirkung ging im Jahre 1941 auch das Johannestor verloren. Bis zum heutigen Tag blieb das wuchtige Neutor als Brückenkopf im Süden und das Schnallentor im Bereich der nörd- lichen Burgfriedensgrenze, wie auch das verkehrs- mäßig weniger beanspruchte Kollertor, als kleiner Rest der Stadtsicherungsanlage des Vorortes, Enns- .darf, der Stadt erhalten. Die Schiffer und Flößer be- förderten auf der Enns und zum Teil auch auf der Steyr einstmals bedeutende Warenmengen flußauf- wärts bis in die Engtäler des Voralpenlandes hinein und flußabwärts der Donau zu. Bis zum Jahre 1940 hatte sich diese Flößerei erhalten. Noch am 16. De- zember 1889 erließ die Behörde eine Verordnung über die Flußfahrt und Flößerei auf der Enns. Erst mit dem Einbau der Stauwerke im Flußverlauf der Enns bei Mühlrading, Staning, Groß-Raming und Ternberg in den Jahren 1940 bis 1950 wurde der Ennsfluß als Wasserweg bedeutungslos. Vereinzelt sind noch die Reste des einstigen Treppelweges entlang der Ufer zu erkennen oder ein Haftpflock am Rande der Uferböschung deutet auf die bestan- denen Anlegeplätze mit den Ausstreiframpen am oberen und unteren Ennskai hin. Der innerstädtische und Durchzugsverkehr durch die großen Flußbrücken über die Enns und Steyr, DIE STIMME 9 ÖSTERRETCHS

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