Die Stimme Österreichs - Heft 50 - 1952 - Steyr

Steyr zur Zeit cier Römerherrschaft Von Oberlehrer Ludwig Pullirsch Der römische Kaiser Augustus faßte den Ent- schluß, s,ein Reich bis an die Donau auszudehnen. Seine beiden Stiefsöhne Tiberius und Drusus wur- den mit der Ausführung des Planes beauftragt. Letzterer drang um das Jahr 15 v. Chr. mit seinen Legionen bis an die Donau vor und unterwarf die Noriker. Somit begann in unserem Land eine Herr- schaft, die fast 500 Jahre dauerte und eine Kultur- periode brachte, deren Spuren man noch heute in fast allen Teilen des Landes finden kann, obwohl seither fast 1500 Jahre vergangen sind. Das Land zwischen den Alpen und der Donau hieß nun Ufer- norikum und stand unter Militärverwaltung. Steyr wird bei den glaubwürdigen Geschichts- schreibern jener Zeit mit keinem Wort erwähnt, auch die in der Nationalbibliothek in Wien befind- liche Peutingerische Tafel, eine römische Straßen- karte, enthält nicht den Namen unserer Stadt. Aller- dings findet sich auf dieser Karte an der alten Römerstraße von Noreja (Neumarkt in Steiermark) in der Nähe des Rottenmanner-Tauerns ein Ort mit Namen „Stiriate", der aber mit der Stadt Steyr wohl kaum in Beziehung gebracht werden kann. Doch die geographische Lage der Eisenstadt und verschiedene Funde aus der Römerzeit im Stadt- gebiet und in der Umgebung berechtigen zur An- nahme, daß hier nicht nur eine Station für Pferde- wechsel (mutatio), sondern auch eine mit Wohn- räumen und Ställen ausgestattete Raststation für durchziehende Truppen (mansio) bestand. Bekanntlich war Lauriacum die Steyr am näch- sten gelegene Siedlung der Römer. Die vielen Aus- grabungen bei Lorch und auch die schriftlichen Auf- zeichnungen aus der Römerzeit lassen die Bedeu- tung dieses wichtigen Platzes in Ufernorikum er- kennen, war doch in Laur.iacum der Sitz des Befehls- habers der II. Legion, auch der Kommandant der römischen Donauflotte hatte dort seinen Hauptstütz- punkt. Noch 404 n. Chr. bestand hier eine Schild- fabrik. Das Eisen bezogen die Römer in den letzten zwei Jahrhunderten ihrer Herrschaft in Ufernorikum vom steirischen Erzberg~ Funde in Ternberg, Losen- stein und Kastenreith bekräftigen die Ansicht der Historiker, daß um diese Zeit von Eisenerz über Steyr nach Lorch schon eine Straße bestand, doch gehen die Ansichten über ihren Verlauf auseinan- der. Die einen vermuten sie zwischen Ternberg und Steyr am linken, die anderen am rechten Ennsufer. Diese Nord-Süd-Verbindung kreuzte in der Nähe unserer Stadt eine Straße, die von Niederösterreich herauf über Sierning, Bad Hall und Kremsmünster führte und in die Pyhrnstraße einmündete. Der Ver- kehr auf diesen sich hier kreuzenden Straßen war ein sehr reg,er. Vieh, Felle, Wachs, Holz und der- gleichen gingen nach dem Süden, und Stoffe, Wein, 16 DIE STIMME ÖSTERREICHS 01, Schmuck usw. kamen aus Italien herauf. Häufige Truppenverschiebungen und der regelmäßige Post- verkehr belebten die Straßen. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß sich hier, am Kreuzungspunkt bedeutender Verkehrswege, auf dem Felsen zwi- schen Enns und Steyr, dort, wo sich heute der mäch- tige quadratische Schloßturm erhebt, ein römischer Wachtturm befand. Im Vergleich zu den Städten Enns, Linz und Wels sind die bisher im Raume Steyr gehobenen römi- schen Uberreste wohl sehr spärlich. Prevenhueber berichtet über einen Münzfund im Jahre 1299 in seinen Annalen: ,,Es gedenkt Erzbischof Weickhard zu Salzburg, ein geborener Herr von Pohlhaim, in seinen geschri-ebnen Annalibus, dass in diesem 1299. Jahr, in der Revier bei der Stadt Steyr, ein vergrabner Schatz römischen oder heidnischen Gel- des von den Bauren sei gefunden worden . . . Als solches offenbar worden, seien dieselbe von den Herrn selber Enden zu sich genommen und dort und dahin verteilt worden. Herzog Albrecht aber habe denselben Schatz, ihme als Landesfürsten zu- ständig, abgefordert, jedoch nur einen kleinen Par- ticul davon überkommen. Dass nun solcher Schatz über die Massen alt, und selber Orten lange Zeit vergraben gewest sein müsse, ·sei daher offenbar, dass etliche derselben guldenen Pfennig mit folgen- der Schrift gepräget gewest: Faustina Augusti pii filia. Es ist aber diese Faustina eine Tochter Kaisers Antonini Pii gewesen, der Anno Christi 140 zu re- gieren angefangen, daher es scheinet, dass gemeldte Pfennige zu selbigen Zeiten sein gemünzt worden." Dieser Fund wird nicht allein von Prevenhueber vermerkt, es wird darüber auch in der Chronik von Klosterneuburg und in anderen Geschichtsquellen berichtet. Da es sich um einen großen Schatz han- delt, dürfen wir mit Recht annehmen, daß ihn nicht mindere Leute vergraben ließen, sondern daß er von irgend einem Heerführer mitgeschleppt wurde, und als keine Aussicht mehr war, ihn ungehindert weiterzubringen, vergrub man ihn eben. Allerdings nicht in einer Wildnis, sondern in der Nähe einer Siedlung, von wo aus man ihn später wieder leicht auffinden konntP.. DiP.se SiP.dlung war eben am Zusammenfluß der Enns und Steyr. Nach Prevenhueber wurde auch ein Jupiter- Altarstein an der Stelle gefunden, wo 1299 die Münzen ausgegraben wurden. Er trug folgende In- schrift: ,,Jovi. STA. TORI. QAB. VRNus. CAE. DicLANVS. LEG. AVG." Prof. Dr. M. Fankhauser bemerkt hiezu: ,,Die kleinen Buchstaben waren durch die Verwitterung auf dem Stein wohl undeut- lich oder schwer leserlich, der untere Teil war ver- mutlich abgebrochen. Es ist also zu ergänzen: ,HANC ARAM DEVICAVIT. Mithin lautete die Insctuift vollständig: ,JOVI STATOR! QUINTUS

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