Bundesgewerbeschule Steyr 1954-1963

ich an der strahlenden Miene meines wißbegierigen Schülers seine innere Befriedigung feststellen. Der moderne Chemieunterricht läßt solche Beispiele nicht vereinzelt da- stehen, denn dem interessierten Schüler ist heute viel mehr als früher di e Möglichkeit geboten, auf die Lehre das Exempel folgen zu lassen. Die Er- gebnisse sind sehr verschieden, ernst und heiter. Lachen muß ich heute noch, wenn ich an die verdutzte Miene des Schülers denke, der einen Ring hatte, von dem er überzeugt war, daß er aus 14karätigem Gold bestünde. Er mach- te die von mir im Unterricht angegebene Echtheitsprühmg mit konzentrierter Salpetersäure und warf den Ring gleich ganz hinein, so sicher war er. Mit Entsetzen mußte er jedoch gewahr werden, daß sich der Ring unter Abgabe brauner Gase (Stickoxide) in nichts auflöste. In einer Zweiten Klasse sprachen wir von den Testmethoden zur Be- stimmung von organisd1en Su'bstanzen. ld1 erwähnte die Fehling'sd1e Lösung. die in der Medizin zum Nachweis von Zucker im Harn verwendet wird. Ein Schüler bat mid1, etwas von der Lösung mit nach Hause nehmen zu dürfen, er wolle zum Spaß einen Eigenversuch machen. Da aber sein Versuch einen positiven Befund ergab, war aus dem Spaß Ernst geworden, und die Bes türzung war groß. Immer wieder wa rne id1 die Schüler davor, a'bwegige Versuche, die meist in Kellern und geheim durchgeführt werden, zu untern eh- men, um selbst auf die Geheimnisse der Chemie zu kommen, denn solche Unternehmen enden meist mit schweren Unglücksfällen. Großen Widerhall finden stets Industriebesuche, bei welchen die Schül er den im Unterricht beschriebenen Herstellungsverfahren nunmehr in der Wirklichkeit gegenübergestellt werden. Der Eindruck, den die Industriegigan- ten auf den jungen Menschen machen, ist groß und bleibend. Nicht mehr hält er die Chemie nur für einen heiklen Unterrid1ts- und Prüfgegenstand. Er hat die angewandte Chemie vo r sich, sieht ihren Umfang und Wert für unser Land und ist stolz auf seine Kenntnisse und auf Österreich. A. Burger Zeichnen, die Sprache des Technikers Technisches Zeichnen und Sltizzieren Leopold, der Hauptschüler, sieht zu Ostern seinen Freund Johannes, der das erste Jahr unsere Schule besucht. Er möchte von ihm erfahren, wie es dort zugeht, denn er will im Herbst auch nach Steyr kommen. Johannes trägt selbs tverständlid1 dick auf . ,,Weißt du, daß wir eine zweite Sprache lernen?" „Zum Englisch dazu ?" ,,Freilid1." ,, Sind viel Vokabeln zu lernen?" ,, Das aud1, aber mehr Zeichen und Bilder ". ,, Du machst Witze". ,, Nein, das ist ganz im Ernst so. Wenn wir zeidrnen, dann benützen wir eine große Anzahl vereinbarter Regeln und Zeichen, sodaß die Zeichnung direkt sprid1t. Somit, sagt unser Herr Professor, ist die Zeichnung die Sprache des Ted1- nikers. Wenn ein Ingenieur - der ich in etwas mehr als acht Jahren sein werde - eine neue Masd1ine entwirft, dann bespricht er nicht ein Tonband, 26

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