Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

Es ist bereits das Stichwort der „mathematischen Methode" angetönt worden. Die Zeit liebte es, more mathematico oder more geometrico alles Mögliche abzufassen; das war eben gerade progressiv. War die mathematische Kette einmal geschlossen, dann war es leicht, aus dieser Position heraus Angriffe abzuwehren. Vernunft, Schrift, göttliche und apostolische Überlieferungen, echte Konzilsbeschlüsse, Gleichförmigkeit und stille Übereinstimmung der ganzen Kirche und das einhellige Zeugnis der Väter ergeben Eybel Grundsätze, ,,an deren Gewißheit nur Unsinn oder höchste Vermessenheit zweifeln können 207 ." Die genannten Quellen ergäben Folgerungen, die mit mathematischer Gewißheit gelten. ,,Unsinn" und „höchste Vermessenheit" sei alles, was vom Sünder Isidor herrührt. ,,Nichts, scheint mir, könnte einem vernünftigen, und gelehrten Menschen lächerlicher vorkommen, als wenn man unsere Lehre, unsere Gründe, und Schlüße etwa mit dem Prädikat neuer Sätze belegen, - hingegen aber jene Meinungen, wovon die Kirche bis auf die Zeiten Isidors das Glück hatte nichts zu wissen, mit dem rühmlichen Namen die ältesten Sentenzen beehren wollte2°8 ." Eybel hebt überhaupt die Bedeutung der mathematischen Lehrart in der Kanonistik hervor, aber er schränkt sie unter Hinweis auf die positiven Wissenschaften wieder ein. Man müsse die mathematische Lehrart nur richtig verstehen: ,,Gewiß! In so weit die mathematische Lehrart aus richtigen voraus festgesetzten Grundsätzen Folgerungen in rechtmäßiger Verbindung, ohne Lücke, hergeleitet, ist es Nothwendigkeit sie in allen Arten von Wissenschaften anzuwenden: - doch fließt hieraus die Folge nicht, daß man den sonst so nützlichen mathematischen Rock allen, auch positiven Wissenschaften, wofür er sich nicht immer nach seiner ganzen Strenge schickt, eben gar so geschränkt anziehen müsse, indem dergleichen Wissenschaften nicht bloß aus einem durch die Vernunft erforschten Grundsatze, sondern aus mehrern verschiedenen, geoffenbarten und positiven, herfliessen209." Wenn man Eybel darstellt, muß man ihn zitieren, denn jede Paraphrase würde die Farbigkeit seiner Schilderung zerstören. Im Folgenden mögen zwei Hauptpunkte des Buches dargestellt werden, nämlich das Verhältnis von Kirche und Staat und der Primat. Es ist beinahe eine Farce zu nennen, daß es überhaupt noch Ausführungen über die Grenze zwischen geistlicher und weltlicher Macht gibt - praktisch der ganze zweite Teil der Einleitung handelt davon. Was der Kirche noch zugesprochen wird, wird ihr ja im Zusammenhang mit dem totalitär umfassenden - und Überwachungsrecht wieder genommen. Wie alle andern 207 Einleitung II, S. 106 f. 208 Einleitung II, S. 107. 209 Einleit,mg I, S. 161 f . 81

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