Manfred Brandl - Der Kanonist Joseph Valentin Eybel 1741-1805

sind (S. 126 f.). S. 145 ff . handeln von den Konstitutionen der Landesfürsten. Was muß man befolgen, wenn kirchliche Gesetze mit staatlichen kollidieren? Wichtigster Grundsatz ist für Rauttenstrauch, daß die beiden Gewalten in ihrem Bereich die höchste Gewalt darstellen und voneinander unabhängig sind (S. 148 f.). Daraus fließe: in rein geistlichen Dingen habe man nur der kirchlichen Gewalt, in rein staatlichen den Landesgesetzen zu folgen (S. 149). In einer Fußnote vertritt Rauttenstrauch aber noch die später abgestrittene Exemption geistlicher Personen (S. 149). In gemischten Angelegenheiten - in den berüchtigten rebus mixtis - hat das staatliche Gesetz Vorrang, was die zivile und politische Seite dieser Angelegenheiten betrifft (S. 73, 150). Auch gibt es adminicula zum Kirchenrecht: die belles lettres oder scientiae elegantiores (S. 161), die nur en passant erwähnt werden, und Kirchengeschichte sowie Critica sacra (S. 162 ff.). Hier dringt schon stark das hermeneutische Prinzip durch, daß die Gesetze eben auch aus ihrer Zeit heraus durch Geschichte interpretiert werden müssen. Rauttenstrauch ist Febronius durchaus ähnlich in seiner Lehre von der Regierungsform der Kirche und den Befugnissen des Primats, die auf die Erhaltung der Einheit abzwecken; dazu genügt es, em1ge der Thesen der Synopse von 1776 anzusehenl76_ Die Rauttenstrauch'schen lnstitutiones wurden von den österreichischen Zeitgenossen als epochemachend und als ein weiterer Schlag gegen die Jesuiten empfunden. Schon 1770 erschien das Werk in lateinischer und französischer Ausgabe in Paris177. Eybels Lehrer Paul Joseph Riegger (1705 - 1775) hat auf diesen den stärksten Einfluß ausgeübt; wenn er später auch ständig Karl Anton von Martini im Munde führt und zitiert, dann nur deswegen, weil er dem verstorbenen Riegger ja nicht mehr so viel Weihrauch streuen brauchte. Riegger und Martini „fallen aus der Schar der geschäftigen Aufklärer durchaus heraus", urteilt Seifert 178 . ,,Martini hatte aber durch seine Riegger überragende Stellung im Staate mehr tätigen Anteil an der Durchführung der josephinischen Reformen, während Rieggers Anteil sich eigentlich auf theoretische Unterstützung teils durch Gutachten im konkreten Fall, teils durch seine Lehre ganz allgemein, beschränkte. Die Bedeutung von Rieggers Lehre kann man aber wohl kaum überschätzen, prägte Riegger doch selbst 176 Rauttenstrauch, Synopsis, 1776, De Forma Irnperii sacri, § 54: Imperium sacrum Christus non quibusvis de populo, sed solis Apostolis contulit, ac inter hoc praecipuo quodarn rnodo Petro, ut is & ipsorurn Apostolorum caput esset, quo ita Ecclesiae unitas conservaretur. Atque haec Petri in Imperio sacro praerogativa Prirnatus Petri vulgo appellatur ... § 57: ... Regirnen Ecclesiae, quale quidem divinitus instituturn accepirnus, haud rnere est monarchicurn, sed aristocratia ternperaturn . 177 Ne v. 5. 6. 1777, S. 89 f.; vorn 22. 5. 1785, S. 82 f. 178 Seifert, S. 200. 75

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