Vom Boom zum Bürgerkrieg

So fern - und doch so nah Was wir aus der Zeit von 1914 bis 1934 lernen können Robert Hummer Eines vorweg: Der Mensch kann auch ohneGeschichte leben. Bewegung entsteht auch ohne den Blick in denhistorischen Rückspiegel. Bedienungsanleitungen für die Bewältigung der Gegenwart finden sich in den wenigsten Geschichtsbüchern .Geschehenes kann auch nicht rückgängig gemacht werden. Nicht ausgeschlossen ist jedoch , dass sich manches im Lauf der Zeit zwei Mal ereignet - .,das eine Mal als große Tragödie, das andere Mal als lumpige Farce", wiees Karl Marx in seiner Einleitung zum „Achtzehnten Brumaire" formuliert. Es gibt gute Gründe, sich das eigene Blickfeld nicht unnötig durch Scheuklappen zu verengen . Im Entwickeln von Verständnis für das historisch Gewordene steckt jede Menge Lernpotenzial, das eine intelligente Gesellschaft nicht brach liegen lassen sol lte. Der Sozialphi losoph Oskar Negt we ist darauf hin , dass Lernen in einer Zeit der Umbrücheauf einAn legen vonVorräten abzielen muss - .,eine Art Lagerhaltung , die aufbewahrt, was man nicht unmittelbar anwenden kann und was man auch nicht sofort braucht, was aber in der Lebensperspekti ve notwendige kritische Potenziale der Weltauffassung bewahrt". Erinnern und Lernen sind in diesem Zusammenhang eng miteinander verbunden: „Wenn geschichtliche Gedächtnisleistungen Sinn haben sollen, dann müssten sie Lernprozesse motivieren. Einsinnloser Krieg mit gewaltigen Verwüstungen müsste unter diesen Aspekten die Urteilskraft schärfen, Kriege dieser Art zu vermeiden". Der Blick in den historischen Rückspiegel findet so gesehen stets im Hier und Jetzt statt. Wie mit der Vergangenheit umgegangen wird und welche Geschichten dabei erzäh lt werden, hängt auch davon ab, wie die Gegenwart erl ebt wird. ,.Erinnerungen werden gewählt", so Peter Novick - abhängig von Interessen, davon geprägten Sichtweisen und der Frage, we lche Relevanz die jewe ilige Erzäh lung für heute hat. Das Jahr 2014 bietet den besten Beleg dafür: 100 Jahre nach Auslösung des Ersten Weltkri egs und 80 Jahre nach den Februarkämpfen führen uns die gegenwärt igen Erinnerungsdiskurse vor Augen, dass die Deutung und Rezeption von Vergangenheit ein ni e wirkli ch abgeschlossenes Unterfangen ist. Erinnerung erzäh lt ebenso viel über unsere Vo rfahren wie über uns selbst.

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