82. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1964/65

agrarisch-naturalwissenschaftlich eingestellten Zeit waren Sierning,’0) Dietach”) oder Z. B. Kronstorf52) wichtiger gewesen. Selbst Steyrs Verkehrslage ist anscheinend weniger bedeutsam gewesen als der gute Boden etwa dieser Orte. Wann die Synode von Mistelbach (bei Wels) stattfand, läßt sich nicht genau bestimmen. Zibermayr”) weist sie der Zeit um 972 zu, während im allgemeinen angenommen wurde, sie habe zwischen 98 5—991 stattgefunden. Der Bericht54) über dieses und zwei ähnliche Treffen zeigt, daß die Neuordnung des Kirchenwesens auch in ökonomischer Hinsicht ein Anliegen Bischof Pilgrims von Passau (971—991) war. Der Bericht erwähnt den Namen Stirapurhc zum ersten Mal. Steyrburg war wie andere Orte der näheren Umgebung (Garsten, Sarning, Reith bei Christkindl, Wolfschwenger bei Aschach/Steyr, Schwamming und Tinsting)55) der Pfarre Sierning zehentpflichtig. In lokalen Kreisen ist stets angenommen worden, daß sich der Name Stirapurhc auf die Burg beziehe, aber es ist darunter die Burgsiedlung zu verstehen. Wie wir schon gesehen haben, darf man die einstige Bedeutung des Wortes „Burg“ nicht mit der heutigen gleichsetzen. Der Herr, der auf der Stiraburg gesessen ist, ist im Zeitalter des Eigenkirchenwesens nicht als zehentpflichtig zu denken: das war die Siedlung Stirapurhc, die noch hunderte Jahre sich nicht von kirchlicher Bevormundung von Sierning und später Garsten lösen sollte, selbst als es eine mächtige Stadt geworden war. Unsere Siedlung Stirapurhc war die Keimzelle der „klassischen“ Stadt im spätmittelalterlichen Sinn. Die notwendig auftauchende Frage, seit wann Steyr Stadtcharakter besitze, ist dahingehend zu beantworten, daß der dörfisch-agrarische Charakter nie maßgebend war und Steyr einfach auf Grund der Existenzbasis zur „Stadt“ — civitas — wurde, als der große Aufschwung des Städtewesens um 1200 einsetzte. 1082 wird Steyr ohne Namensnennung als urbs bezeichnet.56) Die angebliche Urkunde Bischof Altmanns v. Passau ”) Sierning war eine passauische Altpfarre mit großem Pfarrsprengel, wie aus dem Bericht von der Synode von Mistelbach (Anm. 94) (972—991) hervorgeht. ”) Dietach, welches 777 (siehe Anm. 7) erstmals erwähnt wird, wurde 1088 (?, Urkunde gefälscht) zur Pfarre erhoben. In der Urkunde wird berichtet, daß schon unter Pilgrim von Passau (971—991) eine „capella“ erbaut worden war. Vgl. Urkb. d. Landes ob der Enns II (Wien 1856), S. 118. Dietach ist wohl vor Abhaltung der Synode von Mistelbach schon Kirchort geworden, da es sonst im Sitzungsbericht als zu Sierning zehentpflichtig angeführt worden wäre! ’2) 834 soll Ludwig der Fromme dem Patager, einem Vasallen, „Granesdorf in parte Sdavanorum“ geschenkt haben. Vgl. Urkb. d. Landes ob der Enns II (Wien 1856), S. 13 f. Vielleicht hängt damit die von Jandaurek (siehe oben) erwähnte Burg bei Kronstorf zusammen; die Unechtheit der Urkunde wurde aber schon früh erkannt. ”) Zibermayr, Noricum, Baiern und Österreich (Anm. 47), S. 317. ’4) Urkb. d. Landes ob der Enns I (Wien 1852), S. 472. ’5) Zibermayr, Noricum, Baiern und Österreich (Anm. 47), S. 317. In dem Sitzungsbericht heißen die Orte Garstina, Sapinihca, Stirapurhc, Riuti, Suammara, Wolfesvuanch, Tuncinesdorf. ’6) Urkb. d. Landes ob der Enns I (Wien 1852), S. 116. 18

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