82. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1964/65

denn er war verglichen mit der Burgsiedlung eher funktionslos und vor allem nicht so gut geschützt. Es ist im Grundriß nicht mehr rekonstruierbar, doch möchte ich anehmen, daß einige der Häuser der unregelmäßigen Südzeile des Pfarrberges von diesem Altkern (Kirchensiedlung)84) herrühren. Zentrum war das in seiner Lage, und auch in seiner Existenz, nicht gänzlich gesicherte Gotteshaus im Bereich der heutigen Stadtpfarrkirche. Die Kirchensiedlung blieb bedeutungslos und wurde schließlich vom planvollen Ausbau der Innenstadt im 13. und 14. Jahrhundert überschichtet. Grünmarkt Nr. 14 ist im Typ kein Bürgerhaus, sondern hat einst landwirtschaftlicher Bestimmung gedient; ihm und dem Mesnerhaus Brucknerplatz Nr. 6 möchte ich großes Alter zubilligen. Welchen Charakter trug nun die alte Siedlung im Bereich der Enge? Sicher war sie immer schon ein Straßendorf, denn das Gelände ließ keine andere Gestaltung zu.8S) „Wik“, eine Bezeichnung für Händlertreffpunkte des frühen Mittelalters im Norden des Reiches, ist nach A. Klaar86) kein sehr treffender Ausdruck für die erste Siedlung in der Enge, die als Burgsiedlnug zu bezeichnen ist. Wir prüften die Möglichkeit einer Besiedlung des Stadtbereiches vor Errichtung der Steyrburg bereits. Hier sei ergänzt, daß sich Steyr — wie überhaupt keine andere städtische Siedlung — nie auf der Basis einer Agrarsiedlung hätte entwickeln können. Für Ackerbau eignete sich das engere Stadtgebiet auch nicht so gut wie das umliegende Land. Wir beschränkten uns ja auf die Annahme einiger weniger Feuerstätten: noch im Spätmittelalter existierte eine Anzahl von Bauernhöfen am Rande und außerhalb des Steyrdorfes, d. h. im Aichet.87) Sie mochten sich von Feuerstätten aus früher Zeit ableiten. Ganz offensichtlich konnte das landwirtschaftliche Element nicht zur Entwicklung Steyrs beitragen. Die Burgsiedlung baut auf anderen Voraussetzungen auf. Nicht allen beteiligten Komponenten gerecht wird Baks Behauptung,88) „Steyr war eine Handelsniederlassung vom Tag ihres Entstehens an.“ Die Siedlung, welche im 10. Jahrhundert entstand, die zu wachsen begann, nachdem die Magyaren 995 aufgehört hatten, eine Gefahr darzustellen,89) und aus der sich unsere Stadt entwickelte, lebte vom lokalen Handel, dem Schutz und den Bedürfnissen des Herren auf der Burg, sicher auch vom neuerlich aufblühenden Fernhandel; Eisen muß sehr früh in die Geschichte Steyrs eingetreten sein. Schließlich entwickelten sich Handel und Gewerbe so sehr, daß Steyr die kleinen argrarischen Siedlungen der Umgebung an Bedeutung überflügelte. In der 84) Eva Bak, Stadtgeographie von Steyr. Phil. Diss. (Wien 1958), S. 33 nimmt die Existenz der Kirchensiedhtng als gesichert an. 8S) Bak, Stadtgeographie (Anm. 84), S. 28 f 86) Münd!. Mitt. A. Klaar. 87) Vgl. Berndt, Wasserversorgung (Anm. 33). 88) Bak, Stadtgeographie (Anm. 84), S. 28. Bak behauptet, „kriegerische Motive“ wären an der Entstehung Steyrs nicht beteiligt gewesen. °') „Denn nachdem die streitigen Ungern ... zu mehrmahlen geschlagen, letztlich zum christlichen Glauben gebracht, und also die Lande von ihren weiteren Überfällen und 'Verwüstungen etwas gesichert worden, . . . hat sich eine Menge Volcks niedergelassen.“ Preuenhueber, Annales (Anmerkung 1), S. 6. 17

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