82. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1964/65

wässer erinnert auch noch an die Gepflogenheit der Römer.68) Vom Eintritt der Enns in das Alpenvorland bis zu ihrer Einmündung in die Donau gibt es keine auch nur annähernd so markante und wichtige Stelle wie die Plätze der Ennsburg und der Steyrburg, sowohl was die Bedeutung der Flußübergänge betrifft,69) als auch bezüglich der Verteidigungsfähigkeit. Man hat ja die burga nicht ohne Rücksichtnahme auf ihre potentielle oder schon faktisch gegebene Bedeutung im Raum eingerichtet. Das Gelände des „Bollwerkes“,70) das an der Stelle des heutigen Schlosses Lamberg errichtet wurde, ist nach Norden und Südosten von Natur aus wohl geschützt. Die Terrasse fällt im Norden steil gegen den Steyrfluß ab, auch der nordöstliche Sporn war von jeher eine Steilwand aus Konglomerat. Im Südwesten allerdings war die Burg von Natur aus nicht begünstigt. Hier hat man sicher durch Wall und Graben abgesichert. Letzterer war ursprünglich nicht so breit und tief wie heute. Der Südwesttrakt vom Berchfrit („Römerturm“) zur Südostecke ist in seiner jetzigen Erhaltung der älteste Teil der Burg.71) Zwar haben Feuersbrünste und barocke Baukunst die Steyrburg so sehr verändert, daß man heute kaum mehr von einer Burg im mittelalterlichen Sinn sprechen kann, aber verborgen unter dem Verputz befindet sich stellenweise Mauerwerk aus gotischer und vielleicht noch älterer Zeit: Die unregelmäßige Baulinie von der Nordostecke aus gegen Westen wäre als im Barock von Grund aus errichtet undenkbar, geht also auf sehr alten Baubestand zurück. Dieser Nordostsporn trug den frühesten Wachposten, denn von hier bietet sich die beste Sicht nach Norden und Osten. Ich nehme an, daß die gerundete Nordostecke im Grundriß noch von einem Rundturm abhängig ist. Eine exakte LIntersuchung und Aufnahme des heutigen Baues gibt es leider nicht. Die Stiraburg des 10. Jahrhunderts kann nicht so groß gedacht werden wie das heutige Schloß. Neben den beiden erwähnten festen Bauten — Hauptburg mit Berchfrit und die Befestigung am Sporn — sicherten Mauer, Wall und Graben den Platz ab; sicherlich bestanden einige hölzerne Wirtschaftsgebäude; in Zeiten der Gefahr war die Burg, die erst nach und nach immer fester und größer ausgebaut wurde, ein Zufluchtsort für die Bewohner des Gebietes. Im 10. Jahrhundert, da die Stirapurhc zum ersten Mal in die Geschichte eintritt, vermag man die Begriffe „Burg" im heutigen Sinn und „befestigte 60) Ziberwayr, Noricum, Baiern und Österreich (Anw. 47), S. 375. — Jüngste Forschungen nehmen ein höheres Alter der Verteidigungsanlagen in Enns sowie eilt Nebeneinanderbestehen von Enns und Lorch an. Heinrich Koller (Enns und Wien in der Karolingerzeit. Jb. f. Landeskunde von NÖ. N. F. XXXVI/1964, S. 74—86) stützt das Bestehen von Befestigungen und der Siedlung Enns unter Karl d. Gr. und nimmt als Entstehungszeit der Siedlung Enns die Zeit nach 700 an. Alois Zauner (Lorch und Enns. In: Enns, Lorch, Lauriacum, S. 58 ff.) hat nachgewiesen, daß die Burg Enns am Beginn des 10. Jahrhunderts nur verstärkt wurde und schon vorher existiert hatte. 69) Dagegen Jandaurek, siehe oben. 70) Zibermayr, Noricum, Baiern und Österreich (Anw. 297). 71) Baualterplan von Steyr, von A. Klaar, iw Bundesdenkmalamt (1948). Vg 1. dazu Josef Ofner, Kunstchronik von Steyr. Veröff. d. Kulturamtes d. Stadt Steyr Heft 24 (Dezember 1963), S. 32. 14

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