82. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1964/65

mesadel in der Anlage befestigter Plätze (burga) mit Wall und Graben für ihre bäuerlichen Hintersassen gegen Einfälle wie die der Ungarn. Diese weltlichfeudaladeligen burga sind vorn umgebenden agrarischen Land abhängig und waren ebenfalls Produkte der bäuerlichen Kultur ohne wirtschaftliche Aktivität.61) Bezüglich der zeitlichen Entstehung der Stiraburg gehen die Vermutungen nicht auseinander, da hier schon Preuenhueber62) mit einer wohldurchdachten Meinung auftrat, der noch kein Historiker widersprochen hat. Kausalität verbindet die Anlage der „Burg" Steyr nach dem Jahr 900? mit dem später erfolgten Emporblühen der Siedlung. Im Jahre 900 vermochten die Ungarn, die sich kurz vorher an der Tiefebene der Donau und Theiß niedergelassen hatten, über die Enns nach Bayern einzubrechen. Anläßlich ihres Rückzuges wurden sie von Markgraf Liutpold am linken Donauufer bei Linz besiegt. In unmittelbarem Anschluß daran entstand zum Schutz des Reiches vor künftigen Überfällen die stark befestigte Ennsburg.63) Nun ist die Ennslinie von den drei alten oberösterreichischen Flußbefestigungslinien (Enns, Traun, Inn) die kürzeste und bedeutendste. In der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts war die Ennslinie die am weitesten vorgeschobene Verteidigungslinie des schwachen ostfränkischen Reiches. Die Erbauung der Stiraburg entspricht der selben Absicht, die der Erbauung der Ennsburg64) zugrundelag: Ein Flußübergang sollte durch Befestigung einer sicheren Anhöhe gegen Ungarneinfälle geschützt werden. Burgen in Stein bei Steyr, Gleink, Stadlkirchen, bei Kronstorf und Schieferegg schützten ebenfalls die Ennslinie.65) Ob die Steyrburg erst „gleich nach“ der Ennsburg erbaut wurde, wie Zibermayr angibt,66) läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls war um 900 die Erbauung beider Burgen aus militärischen Gründen notwendig; das „lehrt ein Blick auf die Karte.“67) Die Ennsburg bewachte den wohl bedeutenderen Flußübergang. Beide Befestigungswerke vermochten nicht, die Einfälle der Ungarn nach Bayern und noch weiter nach Westen aufzuhalten. Der spitzwinkelige Sporn zwischen den Flüssen Enns und Steyr bot sich von selbst einer Befestigung an. Der Burgenbau am Zusammenfluß zweier Ge61) Karl Bosl, in B. Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, hg. von H. Grundmann (8. Ausl. Stuttgart 1962), S. 666. “) Preuenhueber, Annales (Anm. 1), S. 3—12. 63) Zibermayr, Noricum, Baiern und Österreich (Anm. 47), S. 297. ") Zur Ennsburg berichtet Preuenhueber, Annales (Anm. 1), S. 3 f: „Es seyn aber hernach Anno 889 die Ungern aus Asia kommen und haben gemeldte Wunden (d. h. Slawen) und Bayern wieder vertrieben, nach dem Tod Kaysers Arnulphie über die Donau gefallen, das Land bis an die Enns herauf verheert, dahero dessen Sohn, König Ludwig verursacht ward ums Jahr 900, nit fern von der zerstörten Stadt Lorch, auf einem Hügel gegen der Enns) eine Festung zu bauen, die wurde genannt Annasburgum.“ — Vgl. Anm. 68. ") Jandaurek, Altstraßen (Anm. 23), S. 104. ") Zibermayr, Noricum, Baiern und Österreich (Anm. 47), S. 375. 67) Pirchegger, Steiermark (Anm. 51), S. 427. 13

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