41. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1911

30 oder Gutes Beispiel“ und hielt die Mitte zwischen den „Krisen“ und „Bürgerlich und Romantisch“; da seine Rollen gut besetzt werden konnten, hoffte Bauernfeld auf einen großen Erfolg. Er sandte es Laube, der aber Handlung und Bewegung darin vermißte und es zurückschickte. Bauernfeld sah die Fehler ein und quälte sich damit ab. Inzwischen beschäftigten ilm neue Pläne. „Das Beispiel“ trat in den Hintergrund und erst eine Eintragung vom 28. April 1859 erwähnt die Aufführung des Einakters „Das Beispiel“, die schon am 18. Februar 1859 stattgefunden hatte. Im „Beispiel“ ließen mich auch die Schauspieler sitzen. sogar die Goßmann“ (Bfld., Tg., 28. Ag. 1859). Das in der Eintragung vom 27. April 1856 erwähnte drei¬ aktige Lustspiel „Junge Eheleute oder Gutes Beispiel“ fand sich als Manuskript im Nachlaß mit Bauernfelds eigenhändiger Bemerkung: „Verworfen!“ „Das Beispiel“ ist nach Th. Leclercgs Proverbe dramatique „L’enseignement mutuel“, welches das Sprichwort behandelt On la chèure est attac ée, il Jaut qu'elle broute. Der Stoff berührt sich teilweise mit dem in den „Krisen“ behandelten und kommt O. Feuillets La crise ziemlich nahe. Baronin Julie ist ähnlich wie Juliette in La crise nach einigen Jahren glücklicher Ehe in jenes Krisenstadium gekommen, wo jede ehrbare Frau in die Versuchung gerät, bevor die Jugend flielt, einen Biß in den berühmten Apfel zu tun. Dadurch, daß Brigitte, ihre Pflegeschwester welche in eine ähnliche Lage geraten ist, sich ihr mit all ihrer Augst und Enruhe offenbart, kommt sie zum Bewußtsein ihrer Lage und erkennt, dal sie ebenso wie Brigitte nur das Opfer ihrer verirrten Phantasie und eines gewissenlosen Verführers zu werden drohte. Was in den „Krisen“ der Doktor tun soll, in La crise Dr. Des¬ soles auch wirklich tut, der irrenden Frau den gähnenden Abgrund zu zeigen, dem sie zutreibt, wird hier durch das Beispiel Brigittens bewirkt. VI. Kapitel. Schluß. Außer den Stoffen, welche Bauernfeld französischen Vorlagen zur Bearbeitung entnahm, finden sich in seinen Lustspielen auch hin und wieder Anklänge an fran¬ zösische Stücke, welche seine große Belesenheit verraten. In den „Bekenntnissen“ (III., 9) stößt die als Offizier verkleidete Julie auf ihren ehemaligen Jugendgeliebten Bitter, so wie der Pseudo-Oberst Jenny de Lasal in Scribes Einakter Le colonel auf den wirklichen Oberst; es kommt zu einer scharfen Kontroverse, sie wird wie jener zum Duell gefordert und ihr Gatte Adolf, amüsiert über dieses Zuzammentreffen, drängt zur Austragung des Streites mit den Waffen. Die Szene zwischen Malrepos und dem Hauswirt im „Selbstquäler“ hat eine gewisse Ahnlichkeit mit der zwischen Géronte und seinem Diener Picard in Goldonis Le bourru bienfatsant, den Bauernfeld schon frühzeitig kennen lernte. Malrepos, über den Widerspruch und die Drohungen des Hauswirtes empört, will ihn zum offenen Fenster hinauswerfen und wird davon nur durch das Erscheinen Annettens und Celinens abgehalten; als er sich beruhigt hat, entschädigt er den Hauswirt für die ausgestandene Augst durch eine große Summe Geldes und wird wiederum durch dessen überschwenglich zudringlichen Dank erzürnt; ähnlich dringt Géroute, zornig über den Widerspruch seines Dieners, auf diesen ein, dieser stürzt zu Boden, stellt sich, als ob er sich verletzt hätte und der rasch be¬ sänftigte Géronte händigt ihm eine beträchtliche Summe Geldes ein, welche dieser scheinbar zurückweist und erst durch den aufsteigenden Zorn Gérontes bewogen wird, sie anzunehmen. Wie in der französischen klassischen Kunst immer das Königtum als schir¬ mende und beglückende Macht in die Literatur und Kunst hereinspielt, so läßt auch Bauernfeld zur Charakteristik der Zeit, in welcher der „Selbstquäler“ spielt, es als glück¬ verheilendes Zeiehen gelten, daß die Verlobung Malrepos' mit Celine vor dem Bildnis

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