36. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in Steyr, 1906

- 12 - :chw ung, der ein so heikles Thema dichterisch moglich machen würde. Im Anfange A.lt sich Halm ,iemlich genau au die Sage. Wir befinden uns, wie •• in allen ,rtu sgedichten der Fall gewesen ist, anfangs in der Burg des Kllnigs . Alle Rilter ind versammelt, darunter auch Percival. Sie sprechen über dios und das und auch ber die Frauen ; da äußert Pereival : • Vom Weib verlang' ich schweigenden Gehorsam, ,Ergebung in des Mannes Machtgebot, ,Denn Weisheit sowie Kraft ist unser Erbteil ,Und nur ein Spielzeug in des Weibes Hand .Ans Spinnrad setzt es, richtet seine Blicke ,Andächtig fromm empor ,um blauen Himmel, "Was dniber ist, das ist von ÜberfioD!" Dieser unslglich eitle und •elbslsücbtige Mensch isl verdrießlich, weil er, wie r sagt, ein zu gutes, zu braves Weib habe, das ihm immer gleichmADig heitere Tage ereitet. Es scheint, daß es ihn verdrießt, weil ,r keine Gelegenheit findet, gegen iu Weib brutal ,.u werden. Während er gegendber Tristsu diese Xußoruugen macht, omml dio ganze Hofgesellschaft, klalschend und lästernd, oder auch in unwürdigen ,iebeaabenteoern eingesponnen. Nnn beginnt ein Rannen und Schwatzen über Griseldis, ie Gattin Pereivale, die noch nie am Hofe erschienen ist. Percivals Eitelkeit wird estachelt; er rühmt sein \Veib. oder, besser gesagt, er rühmt sich in seinem ,veibe. [un enlwickelt sich die Handlung der Sage gemAß. \Velin Griseldis alle die Proben estünde, dann will die Königin Oinevra sogar vor ihr knien. Percival ist eitel 'Cnug, seiner Frao diese Schmach und diesen Schmerz auton tu lassen, um dann mit 1rer Tagend prahlen zu könnlln. Ein voraussetiu11gsloser IJichter, der aus innerem Triobo •chatl\, hAtts aus 'ercival einen rohen Naturm•nsche11 gemacht, d,•r wohl dio zarte Weiblichkeit der friseldis iertritt, aber dennoch vou ihr geliebt .,,·irJ , etwa wie den Grafen ,vetter vou trahl im .Käthchon von Heilbronn". Halms Kunst aber war zu sehr von Gedauken- läaso geschwächt und so gelang es ihm ni cht. uns diesen Hel den m,iglicb erscheinen o lassen. Deshalb mußte der Schloß gänzlich umgeboi:en werden und dem roman- scben Stoff ein modemes Endchen augehängt wi"rclen. 111 dem Stücke nämli ch wird ich Griseldis am Sehlasso il1rt·r Frau,:11\\·1irJe L1)wußt; wil' Jbsens „Nora" will Bie ein Spielzeug sein iu dn Hand des Mannes , und sie nrli\ßt ihn. Wir haben in diei-em Drama dne Gegenliherstcllung ,·on Mann und ,veib, wie ·ir sie in modornen r<'alislisch~n Drama so häafig finJe11. Schon Grillparr.en; ,,Medea" sgt sich ron dom eitlen oßll s<'lbst.süchtigeu Jason los, der nicht den Mut bat, sich 11 ihr 1.u beke1111M1 , Ht•l,Lels Mariamne i8t t'tnptlrt. daröhrr, daß sie du Spielzeug des {orodes sein soll, Auzcugruhers }'ranzl Moser in ,,••tock aof der Ehr" will in deo 'od gehen, weil ihr· Ma1111 sio ungehört nrnrteilt, und lbscns „Nora" erkenn t eine lt·mc-inschaft nirht als Eho an, in d('r dio Frau bloß eine Puppe ist. In di eser ar11.e11 Entwicklungsreiho st~ht auch ,tifl Gris,•IJis. Allein währond bei Hebbel und Dsen die unerhittliche Folgerichligk4:'il der Dram~u zu unangenehmen, aber oncrläO- cbeu ErgAbnisst'l1 führt, erscli"int uns in Halms ..,GrisdJi s" di.!r Schluß unorganisch ngeklebt; wir nrtragen es nicht, wr.nu ironischPr Schun. sieb plötzlich in blutige ragik ,·erwaudelt, wir ktJnnon uns f ür K unstwerke hrgeistern, in deuen llea Leben,s :ms\ schließlich sich als buntes Maskenspiel cntbüllt, aber das Umgekobrw wird nertriiglirh. Da1 um kommt keine reiue Frt!Dd6 an Grillparzers „Libussa'" auf, darum 'irken llamerliugs Epen abstoßend. :'!Ll'idenschaftliche Sinnlichkeit um\ ei!!lkalte :ereehuung" gehen ein so on('rqnicklich<'s Oauzes, daß man unwillkürli ch nrstimmt ir<I. Der großartige Gcdank•. daß die Frau nicht das Spi,17.eug des Mannes sein ri ll, winl auch in H:1lm~ Drama erst ansg<'sprorhrn, nachd,~m wir uns in einem rier Akte älm.•11dP11 Gauk~lspirl m, d<'rn Oegcnh·il crgiilzc•n mußten.

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