14. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1986/87

ARBEITSWELT UND WERKERZIEHUNG Da der diesjährige Jahresbericht unter dem Motto „Schule- Mensch-Arbeit" erscheint , bietet sich die Gelegenheit zu versuchen, den bis heute noch immer diffusen und daher vieldiskutierten Be- griff „Werkerziehung" mit seinen Intentio- nen , Inhalten und Methoden etwas zu konkretisieren. Um von der klischeehaften Meinung wegzuführen , Werkerziehung sei nichts anderes als Basteln, sollte kurz die Ent- wicklung, die den gegenwärtigen Werk- unterricht determiniert, dargelegt wer- den . Sie zeigt trotz der in diesem Rahmen sehr lückenhaft gehaltenen Darstellung , daß die Diskussion um Ziel- und Inhaltsfindung nie zur Bastelstunde tendiert. Nach Wessels sind die ersten Ansätze werkerzieherischer Aspekte in der Indu- strieschu le Ende des 18. Jahrhunderts zu finden. Aus der Industrieschule, die doch mehr oder minder den unterneh- merischen Wi llen zeigt , ein nach der industriellen Revolution entwurzeltes Landproletariat umzuschu len, um des- sen brachliegende Kräfte auszubeuten , gingen dem Aspekt des Handfertigkeits- gedankens folgend die ersten Bi ldungs- ideale einer Tendenz hervor, die sich bis heute in der Arbeitsschule hielt. Auf kom- mende Produktionsweisen voraus- schauend, brachte sie aber auch eine im Sozialwesen verankerte Bi ldungsidee LJj hervor, die vor al lem durch Marx (1866) mit dem Polytechnikum geprägt werden sollte. Natürlich sind diese ersten Ansätze bei weitem komplexer, und ihre Entwicklung verlief nicht so geradlinig wie hier darge- stel lt, aber im großen und ganzen zeigen sich folgende zwei Tendenzen, die die heutige Diskussion um Inhalte der Werk- erziehung im Sinne eines allgemeinbil- denden Faches bestimmen: a) Aus der ursprünglichen ,polytechni - schen Erziehung' nach Marx, ,.welche die allgemeinen wissenschaftlichen Grundsätze aller Produktionsprozesse mitteilt und die gleichzeitig das Kind und die jungen Personen einweiht in den praktischen Gebrauch und die Handha- bung der elementarischen Instrumente aller Geschäfte" (Wessels, 1969) , resul- tiert der ,polytechnische Aspekt '. Betrachtet man allerdings die Komplexi - tät der heutigen technisierten Arbeits- welt, vor allem das Ausmaß der Elektro- nik, die bedenklich zur Selbststeuerung tendiert , kann man sich ungefähr vorstel- len , welche didaktischen Probleme der Werkerziehung erwachsen. Ein weiteres Problem dieses Konzeptes ist das ,Kritische' - die Frage nach der Anerkennung einer sich in diese Rich- tung entwickelnden Arbeitswelt. Denn, „sich spezifisches technisches Wissen und spezifische technische Einsichten als Bildungsgut erworben zu haben , um, gewarnt vor den vielerlei Nachteilen mo- derner Technik, sich im Sinne einer mehr oder minder radikalen Systemänderung ----------- -------- --- 31 eine neue Welt bauen zu wollen oder zu können , darüber gibt es bei den ortho- doxen Vertretern der Polytechnik keine Erklärungen expressis verbis" (Huber, 1978). b) Aus der historischen Gestalt der Ar- beitsschule entwickelte sich der ,arbeits- schulmäßige - al lgemein pädago- gische Aspekt'. Was ist nun überhaupt unter dem histori- schen Begriff Arbeitsschule zu verste- hen, und worin besteht ihre Polarität zur polytechnischen Erziehung? Einer der hervorragendsten Vertreter der Arbeitsschule, Georg Kerschenstei- ner (1854-1932) , begründet seine Re- formpläne mit der Kritik am Schulwesen seiner Zeit. Die Schule sei , so behauptet er, ,,eine Buch- und Lernschule, sie müs- se Arbeitsschule werden". Das heißt also, diese reformer ischen Ansätze lehnen den prakti zierten einseitig intellektuel l und rezeptiv - daher lebensfremd - ausgerichteten Schulbetrieb ab. Die Kri- tik der Arbeitsschulvertreter war und ist natürlich begründet. Im frühen 19. Jahrhundert bi ldete sich unter der Domäne der Altertumswissen- schaften für die Gymnasien der soge- nannte Neuhumanismus. Ein altsprach- liches und gleichsam geisteswissen- schaftliches Bildungsideal auf weitge- hend begriffl icher Basis trat damit vehe- ment in den Vordergrund. Alle Gegen- stände, die scheinbar der bloßen Brauchbarkeit dienten (Zeichnen und Werken selbstredend inklusive), wurden aus dem Bi ldungsprozeß ausgesch los-

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