9. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1981/82

zu jenem berühmten „ Flying Scotsman ", der bis heute als Synonym für große englische Züge gelten darf. Das luxuriöse Reisen in Salon-, Spe ise- und Schlafwagen verbindet sich heute mit einem Namen : George Morti- mer Pullman. Er baute den ersten Salonwagen der Welt , der so ver- schwenderisch ausgestattet war , daß er dafür nicht einmal im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten" einen Käufer fand . Als im Ap ril 1865 die Leiche des ermordeten Präsidenten Lincoln von Washington in das heimatliche Kentucky transportiert werden sollte, stellte Pul Iman seinen Salonwagen zur Verfügung. Die Ehre, den verstorbenen Präsidenten zu transportieren , verband er mit der Gelegenheit, kräftige Werbung für seinen Wagen zu machen. 1867 lie- fen in Amerika dann auch schon 48 Pullman 'sche Salonwagen. Als Pull - man 1868 den ersten Speisewagen baute, wurde das Reisen zum Ver- gnügen rei cher Leute. Der Belgier Georges Lambert Casimir Nagelmackers transferierte die amerikanische Art zu reisen auf den Kontinent. Er wurde zum Pull- man der Alten Welt und zum Vater Amerikani scher Schnell zug der Jahre der „ Internationalen Schlafwagen- 1870 - 1885 gesellschatt". Seine Überlegung war einfach : ,, In Amerika gibt es beque- me Züge, warum nicht auch in Europa?" 1872 rollte der erste Schlaf- wagen Europas von Paris nach Wien . Am 4. Dezember 1876 wurde die ,,Internationale Schlafwagengesellschaft " gegründet, die durch entspre- chende Verträge mit den europäischen Eisenbahngesellschaften erreich- te , daß ihre Wagen nicht mehr an den Grenzen hielten . Man bestieg den Zug in einem Land und stieg in einem anderen wieder aus. Das Reisen wurde international. Der Erfolg war so groß, daß schon bald ein Schlaf- wagen pro Zug nicht mehr ausreichte; man hängte zwei , drei und mehr an. Die Idee eines Zuges, der nur mehr aus Schlafwagen bestand, bot sich an. Nagelmackers Versuch wurde zu einem Meisterstück, es war der berühmte „Orient-Express" . Noch heute, im Zeitalter des Düsenflugver- kehrs, hat dieser Name eine gewisse magische Resonanz. Am 4. Oktober 1883 bestiegen vierundzwanzig von Nagelmackers eingeladene Persön- l ichkeiten einen Zug, der sie durch sieben Länder bis nach Konstantino- pe l br ingen sollte. Von Paris nach Konstantinopel zu reisen war 1883 ein Jules Verne würdiges Abenteuer. Sechs Monate hatte die Vorbereitung dieser Reise gedauert, der Erfolg sollte diese Anstrengung jedoch recht - fertigen. Obwohl die Fahrt nicht ganz ohne Pannen ablief, waren die Kom- mentare und Berichte über die Reise allesamt enthusiastisch. Es dauerte zwar noch sechs Jahre, bis die Gleisverlegungsarbeiten der Hauptverbin- dung auf dem Balkan abgeschlossen waren , aber mit der Eröffnung der Bahn linie Budapest - Belgrad - Sofia am 1. Juni 1889 war die Direktver- bindung Seine - Bosporus endlich hergestellt. Man brauchte nur mehr 67 Stunden und 35 Minuten, um 3816 km zurückzulegen. Mit dieser Ver- bindung, der längsten Europas, wird der „ Orient-Express " zur Nabel- schnur, die die Metropole des Orients mit denen des Okzidents verbindet. 17

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