2. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1974/75

,, .... So müssen die Ahndtmgen der Kindheit dahin, um als Wahrheit wieder aufzustehen im Geiste des Mannes. So verblühen die schö nen jugellld- lichen Myrten der Vorwelt, die Dichtungen Homers und seiner Zeiten, die Prophezeiungen und Offenbarungen, aber der Kei m, der in ihnen lag, gehet als reiche Frud1t hervor im Herbste. Die Einf,alt und Unschuld der ersten Zeit erstirbt, daß sie wiederkehre in der vollendeten Bildung." Es ist aber noch nid1t einmal gesagt, sondern eine Frage, was ,denn alles zur Natur gehört. Wir stellen vielleicht einen Kri·stall vor, ein Moos , eine Blume, einen goldgrünen Käfer, der seinen Weg sucht, Wiese, Wald, Fluß, Schilf un:d Wasserrose, Gebirge , Meer, Wolkenhimmel, die vielartigen Farben, Laute, Gerüche, Bewegungen, und wir .;agen, das alles gehöre zur Natur. Ob wir aud1 selbst zur Natur gehören und wie weit, ,das ist schon ein schwieri ges Problem, denn immerhin -stellt uns die Möglichkeit dieser Frage zugleid1 auch über die Natur, welcher Begriff ohnehin nur dann einen. be- stimmten und für das Denken braud1ba ren Sinn hat, wenn er nid1t überhaupt urnd schlechthin alles umfaßt, so ndern gegen anderes, das nicht Natur ist, abgegrenzt werden kann. Wäre aud1 das geistige Begreifen dessen, wa•s Natur ist, und menschlid1es Denken üb erhaupt, selbst ein Teil der Natur, dann ist alles Natur: eine Sinfonie, eine politisd1e Rede, ei ne Maschine, ein Haus wären dann in der gleidlen Weise Erscheinungen der Natur wie ein Vogel oder eine Pflanu. Wir sind aber gewohnt, und es hat einen guten Sinn, scho n eine Landsdrnft, in die d•er Mensch gestaltend ein.gegriffen und in der er einen Garten angelegt hat, nicht mehr so g,an.z zur reinen Natur zu rechnen, oder bei einem so einfachen Ding, wie es ein Kasten oder Tisch darstellt, wohl das Material als etwas ehemals der lebendigen Natur Zugehöriges zu betrachten, insofern es an einem wachsenden Baum war, nicht aber ·die Form und Gestalt, in die es ,der Tisd1ler zugerid1tet hat 11ad1 dem Wunsch dessen, der vielleicht einmal das Holz brachte und Plan und Auftrag gab, ei nen Tisch oder Kasten zu machen, der nirgendwo in der Natur von selbst wächst. Umso mehr muß der Mensdl , als der Urheber soldlen Eingreifens in die Natur, gnmdsätzlid1 von Stein, Pflanze, Tier unterschieden we11den, ja es gehört zum Wesen und Begriff des Mensd1en, daß er nicht unmittelbar in seiner Natur aufgebt, sondern immer sdlon in gewisser Weise mehr und darüber hin aus ist. Wir werden also sagen können, daß der Mensch zur Natur gehört, so- fern er ein Lebewesen ist wie andere auch, indem er sich (wundeJibar genug) von der befrudlteten Eizelle nad1 in bestimmter Weise angelegter Entwick- lungsmöglichkeit zu der in bestimmte Organe ausgeformten und gegliederten Reifegestalt verwirklicht und vo llendet, - und daß der Mensch nicht zur Natur gehört, sofern er dort, wo er wirkl id1 Mensch ist, im Unterschi ed zu jedem, auch zum höd1stentwickelten Tier, deutlidl um sich selbst weiß, ver- antwortlid1 gut oder böse ha·ndelt und die Frage nach dem Sinn seines Daseins stellt, der nicht -schon natut 1 haft vorgegeben, sondern immer neu zu suchen und in eigener Selbstverwirklichung zu riskieren ist. Der Mensd1 gehör t zur Natur und er gehört nicht zur Natur. Dieser Satz kann aber falsch verstanden werden, un,d er wird sd10n falsch verstanden, wenn darunter vorgestellt wird, daß der Mensm hier bloß von zwei verschi edenen Seiten angesdwut werde, wie man ei nen Krug einmal von 22

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