75 Jahre Landeskrankenhaus Steyr 1916-1991

Das Wirken der Barmherzigen Schwestern Die aufopferungsvolle Tätigkeit der Barmherzigen Schwestern vom HI. Vinzenz von Paul, deren Mutterhaus sich in Wien VI., Gumpendorferstraße 108, befindet, währte fast 120Jahre, denn sie kamen im Dezember 1849 an das damalige Krankenhaus St. Anna, übernahmen auch den Pflegedienst im neuen Krankenhaus an der Sierninger Straße und versahen diesen weiter, nachdem das Stadtkrankenhaus vom Land Oberösterreich übernommen worden war. Das Wirken der Schwestern vom Orden des hl. Vinzenz v. Paul ist mit der Geschichte des Krankenhauses Steyr eng verbunden und ist im historischen Teil ausführlich dargestellt worden. Ebenso folgteineAufstel lung über die jeweils täti - gen Ehrwürdigen Oberinnen. Um die Opfer, die diesen geistlichen Pflegerinnen abverlangt wurden und die sie im Pflichtbewußtsein christlicher Nächstenliebe auf sich genommen haben, anschaulich darzustellen, sol l hier einiges aus der Ordenschronik angeführt werden. Sr. Anna Kratochwill ist nach kaum zehnmonatiger Tätigkeit in der Pflege der Typhuskranken selbst an Typhus erkrankt und am 30. Juni 1917 im Alter von 33 Jahren gestorben . Im selben Jahr erlagen die Schwestern Johanna Chusa sowie die Schwestern Aleta und Materna dem anstrengenden Dienst am Krankenbett. Sie wurden zwar noch ins Mutterhaus nach Wien zurückberufen, hatten aber nurmehr eine kurze Lebenszeit. Im Areal des Krankenhauses befand sich auch die sogenannte Blatternbaracke. In dieser waren Patienten und auch die Krankenschwestern eingeschlossen, sie wurden von außen versorgt. Seit Anfang der Dreißigerjahre ist jedoch kein Blatternfall mehr bekannt geworden. Eine große Zahl von Barmherzigen Schwestern war viele Jahre hindurch, oft bis über das 70. Lebensjahr hinaus, in der Krankenpflege oder sonst an verantwortlicher Stelle tätig . Sie waren ohne Rücksicht auf Dienstzeit, praktisch immer, am Krankenbett und gönnten sich nur wenig Erholungszeit. Auch in der NS-Zeit wollte der damalige ärztliche Leiter und Chefchirurg Regierungsrat Dr. Oser nicht auf die bewährte Einsatzbereitschaft der geistlichen Schwestern verzichten. Es gab wohl An54 feindungen und Übergriffe, doch durch ihr Beispiel, mit dem sie unbeeinflußt und korrekt ihren Dienst am Krankenbett versahen, blieben solche Behelligungen in Grenzen. Eine Anzeige gegen die Küchenschwester Kleopha und die daraufhin unangesagt erfolgte Kontrolle wegen angeblicher Lebensmittelverschiebungen erbrachte keinen Abgang, sondern sogar einen Überschuß. Im fo lgenden seien einige Ehrwürdige Schwestern angeführt, die bis ins hohe Alter ihren Dienst im Krankenhaus versahen: Sr. Apollonia (geboren 1878) von 1904 (St.-Anna-Spital) bis 1945. Sr. Artemia (geb. 1883), von 1814 (St. Anna) bis 1945. Sr. Blanko (geb. 1897) von 1924 bis 1956 (Operationsschwester) . Sr. Dionysia (geb. 1878) von 1930 bis 1957 (Abteilungsschwester) . Sr. Gregoria (geb.1902)von 1928 bis 1955 (Operationsschwester, Apotheke und Röntgenvertretung). Sr. Gundrada (geb. 1893) von 1921 bis 1965 (Gynäkolog. Abt.). Sr. Kleopha (geb. 1887) von 1919 bis 1959 (Küchenchefin). Sr. Latina (geb. 1906) von 1927 bis 1967 (Abteilungsschwester). Sr. Leontine Sr. Liberia (geb. 1900) von 1925 bis 1961 (Abteilungsschwester). Sr.Modesta (geb. 1887)von 1918 b is 1960 (Chirurgie 1, Abteilungsschwester). Sr.Pompilia (geb.1883)von 1932 bis 1960 (Ambulanz, Narkose, Therapie) . Sr. Lidoria (geb. 1884) von 1924 bis 1960 (Abteilungsschwester). Sr. Sergia (geb. 1876) von 1924 an; gest. am 4. Juni 1950. Sr. Sofronia (geb. 1895) von 1923 bis 1960 (Waschküchenleitung). Sr. Thekla (geb. 1896) von 1919 bis 1934 (Abteilungsschwester); nachher Generaloberin des Ordens. Der Pflegedienst im Krankenhaus wurde nach dem Anschluß im Jahre 1938 offiziell vom Deutschen Roten Kreuz übernommen. Es ergab sich daher, daßSchülerinnen des Deutschen Roten Kreuzes auf den Abteilungen der geistlichen Schwestern Dienst zu versehen hatten. Daß dennoch keine nennenswerten Schwierigkeiten auftraten, ist sicherl ich auf gegenseitige Toleranz und auch auf die Autorität des ärztlichen Leiters Dr. Oser zu rückzuführen . Zu bemerken wä re, daß Sr. Pompilia in der Zeit des zweiten Weltkrieges wegen ihrer Kenntn isse slawischer Sprachen (ihre Muttersprache war tschechisch) eine gesuchte Dolmetscherin im Landeskrankenhaus Steyrwar. Der Wohnbereich, besser die „Schlafstelle", der Ordensschwestern waren die Mansarden im Altbau, bis im Oktober 1937 der Schwesterntrakt eingeweiht wurde. Die Ordensschwestern hatten tägli ch bereits um 5.40 Uhr ihren Gottesdienst in der Kapelle; die Schwestern, d ie vom Nachtdienst kamen, besuchten die Messe in St. Anna. Um zu zeigen, wie gewissenhaft die Ordensschwestern waren, sei vermerkt, daß sowohl die Schwestern Wa lburga, die zweimal Oberin war, als auch die Leiterin der Waschküche, Sr. Sofronia, Nachtdienst machten, um die übrigen Schwestern zu entlasten. Der 6. Mai 1968 war das Ende einer Ära, die fast 120 Jahre gedauert hatte. Viele ehemalige Patienten und auch zahlreiche ältere Bedienstete des Landeskrankenhauses bedauerten es zutiefst, daß die Ordensschwestern vom Landeskrankenhaus Steyr abgezogen wurden. In der Regel waren 30 bis 33 geistliche Schwestern im Einsatz am Krankenbett. Die Verköstigung der Schwestern mußte im Rahmen der Verwa ltungstätigkeit, die sie übernommen hatten, aus den Pflegesätzen erfüllt werden . Eine vertragliche Entlohnung an den Orden wurde erst nach 1916 nach und nach verwirklicht. Diese bestand bis 31. Dezember 1929 zwischen dem Orden und der Stadtgemeinde Steyr und wurde ab 1. 1. 1930 mit dem Land Oberösterreich geregelt. Daß der Orden der Barmherzigen Schwestern das Landeskrankenhaus Steyr verlassen wü rde, war lange Zeit vorher abzusehen gewesen. Schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1967 hatte der Orden begonnen, die Stationen zu räumen, da die Rückberufung der noch verb liebenen geistlichen Schwestern bis Ende 1967 abgeschlossen sein sollte, doch in Verhand lungen zwischen dem Krankenhaus und der Genera loberin wu rde erreicht, daß die letzten Ordens-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2