75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

Einspruch gegen das Benehmen der Soldaten mehr Nachdruck verleihen sollten. Wie unecht aber dieses umgehängte Mäntelchen in Wirklichkeit war, beweist der Rückfall in die Mundart, da er seine Empörung gegen den Leutnant vor sich selber hinmurmelt (S. 100). Auch der Bürgermeister von Steyr, Johann Mayer, bemüht sich, mit einer wohlgesetzten Rede vor den Statthalterischen Obersten hin¬ zutreten (S. 262). Seine wenigen Worte genügen, das vom Feilschmied dem Steyrer Volk von ihm entworfene Bild (S. 218) plastisch zu unterstreichen und ihn in Gegensatz zum Ratsherrn Zettl treten zu lassen. Wohltuend und einfach klingen uns dagegen die Worte der „Studierten“ des Romanes entgegen. Sie haben es nicht nötig, einen Bildungsmangel hinter hochtrabenden Worten zu verbergen. Der Geistliche Vinzenz, der „hochgelahrte Sekretär Valentin Prevenhueber und der Arzt Animäus sprechen eine warme, ein¬ fache Verkehrssprache. Trotz des Einschubes der Schriftstellerin, der Arzt spräche „mit viel Latein dazwischen“, findet sich kein derartiges Wort in seiner Diagnose. Die blutvollste und lebensnaheste Gestalt des Nomanes ist der mächtige Ratsherr und Viertelmeister von Ennsdorf, Jakob Zettl. Wir erleben ihn in den verschiedensten Lebenslagen, Stimmungen und Umgebungen: ebenso vielseitig ist sein sprachlicher Ausdruck. Als echter Steyrer spricht er breiteste Mundart, wenn er seinem persönlichen Gefühl nachgibt oder wenn er sich an die Steyrer Mitbürger wendet. Die Schriftstellerin unterstreicht diese Sprachhaltung zweimal durch erläuternde Einschübe im erzählenden Teil: dem Kommandanten von Steyr gegenüber beansprucht er „bauernmäßig“ den Leutnant für ein unparteiisches Gericht (G. 165); in der Innerberger Kanzlei sagt er die Punkte in „seinem groben Landlerteutsch“ vor, die — zum Gegensatz —. von dem gebildeten Prevenhueber in den Kurialstil übersetzt werden (S. 217). Wenn Zettl die Erregung packt, springt seine Sprache in die Mundart über, auch in verkehrs- und hochsprachlicher Umgebung. Zettl spricht selbstverständlich zum Obersten Walkun in feiner, gesetzter Sprache, aber Freude („Wolzua! Wia bälder, wia besser. S. 275) und Empö¬ rung („Jo, ös möcht's alli auffi laufen, han?“ S. 281) bringen selbst vor * * * diesem mächtigen Offizier die kräftige Mundart zum Durchbruch. Wenn Zettl den Steyrern Bericht erstattet, redet er sie in der Verkehrssprache an. Ist aber stär¬ kerer Nachdruck nötig, um sie im Zaum zu halten, so greift er zu ihrer eigenen Mundart („Stad sein! Ruah halten!“ S. 367). Nicht allein abstrakter Gerechtig¬ keitssinn bewegt Zettl, sich für Margaret einzusetzen, väterliche Liebe und Für¬ sorge geben ihm die Stärke im Kampf gegen die widrigen Mächte. Dieses Neben¬ einander von äußeren und inneren Triebkräften in seinem Handel spiegelt sich in dem Wechsel von Verkehrssprache und Mundart. So wie seine väterlichen Worte des Trostes, der Beruhigung, des Mitleids an Margaret der Mundart ent¬ tammen, genügt allein schon der Gedanke an die geplagte Witwe, ihn aus der Verkehrssprache in die Mundart übergleiten zu lassen. Umgekehrt steigt die Sprache Zettls aus der Mundart in die höhere Sprachstufe empor, wenn er Margaret den unpersönlichen, höheren Sinn des Prozesses klarzumachen versucht (S. 291 ff.). Zettl ist nicht ungebildet, daß er nur Mundart und Verkehrssprache beherrscht, seine Reden vor dem Obersten und dem Gericht nähern sich mit ihren („von welchem wissend latinisierenden Partizipialformen dem „Kurialstil daß . . . S. 280). Die Kraft Zettls liegt aber im Muttergrund des Volkes. 145

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