75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

Die Titelgestalt des Nomanes, Margaret Mayrin, wurzelt nicht so tief im Volkstum wie Zettl. Ihr Vater war ein protestantischer Kantor aus Württem¬ berg, ihr Mann war Schreiber, sie selber stammt aus Eferding. Als Protestantin entnimmt sie der Predigersprache sogar das „lutherische“ mitteldeutsche „e“ in Schwachtonsilben, wenn sie von religiösen Dingen spricht („das Bilde, mit allem Blute, geschonet, decket, murret"). Ihre Mundartreden entspringen nicht inneren, bodenständigen Quellen, sie passen sich äußerlich der mundartsprechenden Umge¬ bung an: ihre Gespräche mit Apollonia, mit derem Mann und im Bruderhaus enthalten mehr Mundartelemente als sonst; sie sinken aber nie zum breiten Dialekt herab, wie wir ihn von den echten Steyrern hören. Ihre Gefühlsäußerungen heben sich vielmehr in die höheren Schichten der Verkehrs-, ja der archaisierenden Hoch¬ sprache empor. Besonders innig und gefühlswarm spricht Margaret zu ihrem Knäblein in kindlichen Koseformen auf „-i“ („Wolfibubi“) und Wörtern aus der Kindersprache („Tata“). Der Sprachumfang Margarets umschließt, ihrer Ab¬ stammung, Stellung und Verwandtschaft entsprechend, nur die nach ihrer Umgebung mehr oder minder stark mundartlich gefärbte Verkehrssprache, die sich gelegentlich der archaisierenden Hochsprache nähert, wenn es die Situation verlangt (Gespräche mit dem Obersten Walkun). Der Gruppe der Zivilisten steht in dem Roman die der Soldaten gegenüber. Diese beiden Großgruppen unterscheiden sich voneinander auch in der allgemeinen Sprachhaltung. Die Wurzellosigkeit der Soldaten des Dreißigjährigen Krieges spiegelt sich nicht allein in dem Gemisch ausländischer Namen (Begoy, de Layre Don Tarquinio Conti), sondern auch in den zahlreichen fremdsprachlichen Rede¬ wendungen vor allem bei den Offizieren. Die gewöhnlichen Soldaten bleiben bei ihrem mundartlichen Deutsch. Lateinische, französische, italienische, selbst unga¬ rische („tessek“) und ladinische („tschau") Sprachbrocken schieben sich in die deutschen Reden der Offiziere. Sie beweisen keineswegs die Beherrschung dieser Sprachen sie sind im Verkehr mit den Ausländern, die selber als Soldaten in den Heeren dienten, aufgefangene Einzelwörter und Redewendungen. Nur zwischen Begoy und de Layre scheint sich ein französisches Gespräch anzubahnen, um Zettl das Ver¬ ständnis des Gesprochenen unmöglich zu machen (S. 163). Der Kroatenrittmeister Conti spricht mit seinen Kroaten genau so selbstverständlich kroatisch (S. 241), wie er mit seinen deutschen Kameraden deutsch spricht, obwohl er selbst Italiener ist. Don Tarquinio Conti ist überhaupt ein prächtiges Bild des Abenteurersoldaten des Dreißigjährigen Krieges. Seine italienische Abstammung verrät sich nicht nur in seinem Namen, sondern auch in seinem „feinen Deutsch mit leichtem Welsch¬ klang“, das nur zu Beginn seines Auftretens durch den Ausfall des anlautenden „h- angedeutet wird („Cospetto, der Erliberg, übsche Geschichte“ S. 240, diesen sehen Sie ier S. 241). Diese wenigen Hinweise genügen der Schriftstellerin, aus der freundlich-verführerischen Verkehrssprache seiner weiteren Reden immer wieder diesen „Welschklang“ heraushören zu lassen. Durch die Ein¬ flechtung fremdsprachiger Partien verstand es die Schriftstellerin, kurz und ohne weitere Bemerkung ein Bild von dem Völkergemisch und der Nomadenhaftigkeit der damaligen Heere zu geben Außer durch eigentlich fremdsprachige Ausdrücke wird die Sprache der Sol¬ daten durch zahlreiche aus der Militär- und Kanzleisprache stammende Fremd¬ wörter durchsetzt. Sprachlich fein beobachtet ist das kurze Redeintermezzo zwischen 146

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