50 Jahre 12. Februar 1934

9 D ie Wunden, die im Jahre 1934 geschlagen wurden, waren schwer wieder zum Verheilen zu bringen. Ich habe aus diesen Erfahrungen meiner Jugendzeit in meinen Funktionen nach 1945 als Präsident des österreichischen Nationalrates größten Wert darauf gelegt , bei jeder Gele– genheit auf die notwendige Einheit, Zusammengehörigkeit und Zusammenarbeit zu verweisen. Ich glaube sagen zu können, daß mir diese Aufgabe auch immer gelungen ist! Nach 1945, in der Zweiten Republik , waren Männer da , die das Jahr 1934 erlebt haben und die aufgrund dieser Fehler entschlossen waren , alles zu vermeiden, was wie– derum zu tiefen Auseinandersetzungen führen könnte. Die Streitpunkte der Jahre 1933 und 1934 gingen um Rechts– probleme und um die Verfassungsanwendung - und es ist nichts gefährlicher, als wenn sich hinter einzelnen verschie– denen Rechtsauffassungen die ideologischen Banner sam– meln und zu marschieren anfangen. Dann kann man - und das war das Schicksal der Ersten Republik - keine echten juristischen Lösungen mehr finden - dann gibt es nur mehr die Konfrontation! In solchen kritischen Situationen haben es radikale Kräfte leicht: Sie können die Fahne ergreifen und für die neue Zeit voranstürmen . Lösungen findet man dann nicht mehr. Ich kann mit einigem Stolz sagen, daß auch in ausländi– schen wissenschaftlichen Zeitschriften darauf verwiesen wurde , wie hervorragend die österreichische Lösung nach 1945 war. Es gab hier einen großen Lernprozeß , von dem ich hoffe , daß er weitergeht , auch wenn die Generation, die die Erste Republik noch aktiv erlebt hat, schon in die Minderheit gerät und ausstirbt. D ie nachwachsende Generation , der das unmittelbare Erleben fehlt, trägt natürlich nicht diese unmittelbare Schreckenserinnerung in sich wie wir. Infolgedessen gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der jetzigen Generation , ein echtes demokratisches Bewußtsein zu fördern. Ich halte es hier mit Churchill, der auf die Frage nach der idealen Staatsform mit dem weisen Wort antwortete , daß die Demokratie sicher die schlechteste Staatsform sei , aber er keine bessere kenne. Bei den Debatten um das Jahr 1934

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