50 Jahre 12. Februar 1934

Ich habe bereits vor mehre ren Jahren bei de r Tagung de r Wissenschaftlichen Kommi ssion des Theodor-Körner-Stif– tungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur E rfor– schung de r öste rreichischen Geschichte der Jahre 1927 bis 1938 (veröffentlicht im Ve rl ag für Geschichte und Politik , Wi en 1975) di e Aufme rksamkeit der Kommission auf einen Punkt gelenkt. Ich bin dabei auf di e Auflösung des Parl amentes im Jahre 1933 zurückgekommen und habe da raus Schlußfolgerungen auf eine kritische Ve rfassungssi– tua tion in de r Zweiten Republik gezogen . Im He rbst 1970 hatte de r Ve rfass ungsgerichtshof auf Grund einer Verfass ungs kl age einige Nationalratsmandate für ungültig e rkl ärt , darunte r das des Präsidenten Wa ld– brunne r und des Dritten Präsidenten Probst. Al s de r einzige amtierende Nation alratspräsident stand ich vor de r Frage, für we lches de r ve rschiedensten , und zwar wide rsprüchlichen Rechtsgutachte n, die alle von hervorra– genden Ve rfassungsrechtlern ausgea rbeitet waren, ich mich entscheiden sollte. E ine Reihe dieser Gutachten ve rtrat die Auffassung , daß dieses Pa rlament durch das E rlöschen von Mandate n funkti onsunfähig geworden und nicht mehr existent sei. Mir war kla r, daß ich keine juristische, sonde rn eine po litische Entscheidung zu treffe n hatte . De nn was nützt juristische Brillanz, wenn jede Partei sich hinter einem a nde ren G utachten ve rschanzt? Das Funktioni e ren de r Ve rfass ung wird nur durch gemein sam respekti e rte Spie lre– ge ln garanti e rt. Denn - wenn di eses Pa rl ament nicht mehr existent ist , wer so llte dann di e Ve rfass ung novellie re n? We r sollte dann die Geschäft so rdnung dahingehe nd e rgän– zen , daß eine de rartige Situati on künftig nicht mehr mögli ch ist ? Siche r hä tte es auch da nn noch e inen Ausweg gegeben, aber auf jede n Fall einen umstrittenen . Ni cht aus persönliche r E itelkeit, sonde rn wegen der po litische n Schlußfo lgerungen habe ich auf di esen Sachve rhalt verwi e– sen . Warum war im He rbst 1970 diese Lösung masse npsy– cho logisch möglich und nicht auch im Jahre 1933? Weil die bre ite Masse de r Bevölke rung he ute von de r Demokratie übe rzeugt ist, was damals nicht de r Fall war. In e ine r geistig-politischen Situati on wie heute hätte ma n siche r auch damals e ine E inigung in irgende ine r Form find en können; abe r sie war eben nicht vorha nden. 8

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