125 Jahre Gesellschaft der Musikfreunde Steyr 1838-1963

Unsere Heimat ist stets bei unseren Freunden . FRANZ SCHUBERT PAUL KELLER UND SEINE STEYRER FREUNDE Wer in der Stimmung des Sonntags, wenn der brodelnde Verkehr einigermaßen zur Ruhe gekommen ist, besinnlich durch die Gassen und Plätze der reizenden Altstadt von Steyr schlendert, wird sich nicht schwer in das beschauliche Dasein verflossener Generationen versetzt fühlen. Drunten fluten unentwegt und unaufhaltsam die Wässer der beiden Flüsse dem großen Strom zu, der sie an der einstigen Kaiserstadt vorbei in die fernen Weiten des Ostens entführt - Sinnbild ewig lebendigen Strömens, Strebens und Vorüberziehens. Zwischen ihren Ufern und Brücken aber die Stadt mit ihren herrlich-anmutigen Bauten, unwiderstehlich einladend zum Betrachten und Staunen: Sind diese wechselnden Gestal- tungen der Fassaden, Gesimse und Fenster, diese trauten Winkelhöfe der Säulen und Arkaden nicht wahrhaftig erstarrte und steingewordene Musik, gleichsam gefrorene Akkorde und Melodien in mannigfaltiger Modulation? Das Eintauchen in dies bunte Formen- und Linienspiel der Bauten ist wie süße Träumerei in fröhlich ernsten Liedern. Aus alten Tagen wird es lebendig, es hebt an zu singen und zu tanzen . .. Ein derart in den Raum gebanntes, verzaubertes Klingen mag die hier Ansässigen schon immer besonders disponiert haben, die Gaben der holdesten Kunst liebreich zu empfangen. So sehen wir denn in der alten Eisenstadt, wie einem inneren Gesetz folgend, eine warme Herzensbeziehung zu den Schaffenden der Musik sich entfalten, vor allem aber zum großen Genius der Romantik hin: Franz S chubert. Einern solchen, sozusagen musikgezeichneten Gemeinwesen dürfte das gemeinschaftliche Musizieren Lebenselement sein; so ist hier, wenn auch im kleineren Maßstab als dem der Hauptstadt, gewiß seit langer Zeit in anheimelnd eingerichteten Räumen jener häusliche Musikbetrieb gepflegt worden, der in der unwider- ruflich vergangenen Epoche seinen Höhepunkt überschritten hat. Auf unserem Gang über den Stadtplatz der Eisenstadt bleiben wir, von unten kommend, auf der rechten Seite vor einer dieser barocken Häuserindividualitäten stehen - das Gebäude trägt die Nummer 16 - und blicken auf : nur drei Fenster breit ist die Straßenfront, desto weiter führt es dafür nach hinten ; unten sehen wir Eingang und Verkaufsraum eines Sport- geschäftes {Treber), zuoberst anscheinend eine Blendfassade mit ornamentalen Öffnungen. 49

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