100 Jahre Höhere Technische Bundeslehranstalt

DIE BUNDESLEHRANSTALT FOR EISEN- UND STAHLBEARBEITUNG UND FOR ELEKTROTECHNIK (1920 - 1938) Für den theoretischen Unterricht verfügte man nun über sechs Dienstwohnungen für Lehrer und Schulwarte, sechs Lehrsäle, vier Laboratoriumsräume, zwei Sammlungszimmer und ein Atelier, und für den Werkstättenunterricht konnte man zwölf Säle und mehrere Nebenräume adaptieren. Außerdem konnten die beträchtlich steigenden Schülerzahlen mühelos bewältigt werden, und für auswärtige Schüler, deren Anteil von Jahr zu Jahr zunahm, errichtete man ein Heim, das sich allerdings selbst erhalten mußte. Besonders die Fachschule für Maschinen- und Werkzeugbau, welche die frühere Abteilung für Feinzeugschmiede und Werkzeugschlosser ablöste, übte eine mächtige Anziehungskraft aus. Sogar der lang gehegte Wunsch, eine Elektrotechnische Abteilung zu erhalten, ging in Erfüllung. Die Auflösung der Abteilung für Messerschmiede, die immer weniger und zuletzt nur von 2 bis 5 Schülern besucht wurde, ergab einen zusätzlichen Raumgewinn. Dagegen blieb die Abteilung für Graveure und Ziseleure nicht nur weiter bestehen, sondern erfuhr noch eine starke Erweiterung. Dies war nicht zuletzt dem Wirken Professor Hans Gerstmayrs zu danken, der beim berühmten Stahlschnittmeister Michael Blümelhuber in die Lehre gegangen war. Er führte den künstlerischen Stahlschnitt an der Schule ein. Absolventen dieser Richtung waren gesucht und verbreiteten den Ruf der Schule weit über die Grenzen Oberösterreichs. Es war die einzige Fachrichtung, in der auch Mädchen aufgenommen wurden.') 1923 erweiterte sich der Aufgabenbereich um die gewerbliche Fortbildungsschule, welche Lehrlingen aus metallbearbeitenden 10 Berufen aus den umliegenden Bezirken einmal wöchentlich eine Schulbildung vermittelte, die als Ergänzung ihrer Lehre beim Meister gedacht war. Die Schwierigkeiten, die daraus naturgemäß erwuchsen, waren nicht gering, konnten jedoch mit viel Arbeit und Fleiß überwunden werden. - Nicht bewilligt wurde aber die Erhebung zur Staatsgewerbeschule, obwohl Linz nur bautechnische Abteilungen besaß und höhere Abteilungen mechanisch-technischer, elektrotechnischer und chemisch-technischer Richtung im Rahmen des Schultyps in Oberösterreich dringend benötigt wurEhemalige Jägerkaserne bis 1920 den.•) Der gediegenen Ausgestaltung der Schule folgte der Titel eines Regierungsrates für den Direktor. Nach dessen frühem Tod im Jahr 1933 trat das erste Amt Professor Ing. Ferdinand Freihofner an. Die Schülerzahl bewegte sich zwischen 150 und 170. wovon ungefähr zehn auf die Abteilung für Graveure, die übrigen je zur Hälfte die beiden anderen besuchten; an den Fortbildungskursen nahmen zirka 150 Lehrlinge teil. Der theoretische Unterricht wurde von acht, der praktische von insgesamt neun Lehrern erteilt. Im Jahr 1928 fanden sich zur Feier des 50jährigen Bestandes - die vierjährige Fachschule für Eisenindustrie bis 1878 hatte man nicht berücksichtigt - fünfhundert Absolventen aus allen Teilen Osterreichs, Sektionschef Dr. Wohlgemuth vom Bundesministerium für Unterricht und Dr. Schwinner in seiner Eigenschaft als Landeshauptmann-Stellvertreter von Oberösterreich ein. Allseits hob man die Bedeutung der Bundeslehranstalt hervor und würdigte sie. Bald darauf nahm die Weltwirtschaftskrise immer bedrohlichere Ausmaße an und stürzte mit der jetzt „Steyr-Werke" b8nannten Waffenfabrik die Stadtgemeinde selbst in schwere finanzielle Not. Um wenigstens die Sorge um die Erhaltung der umfangreichen Schulgebäude abwerfen zu können, boten sie die Stadtväter dem Bundesministerium für Handel und Verkehr zum Kauf an, mußten aber die ursprünglich geforderten S 450.000.- auf S 300.000.- herabsetzen. Der Vertrag kam am 17. Dezember zustande, womit alle Anlagen der Schule in Bundesbesitz bis auf den heutigen Tag übergingen. Zu dieser Zeit erhielt sie unter Mitwirkung von Lehrern und Schülern zwei musterhaft ausgestattete elektrotechnische Laboratorien. Der Anfang für die Kraftfahrzeugtechnik an unserer Schule wurde 1932 gesetzt, als für Schmiede- und Schlossermeister, die die Kraftfahrzeugkonzession erwerben wollten, sechsmonatige Kurse abgehalten wurden. Die 40 bis 60 Interessenten fanden im Internat Aufnahme. Bald nach der Übernahme der Direktion durch Ing. Josef Haßlinger im Jahr 1933 wurde die Schule vom Februaraufstand in Mitleidenschaft gezogen. 300 Schüler waren unversehens eingeschlossen, und Lebensmittel konnten nur unter Gefahr herangeschafft werden. Um die Aufständischen zur Aufgabe ihrer Stellungen zu zwingen, wurde schließlich das Gebäude unter Beschuß genommen, wodurch das zweite Stockwerk zum Teil erhebliche Beschädigungen erfuhr. Dem Sozialprogramm der darauffolgenden Jahre entsprechend wurden 1935 für Arbeitslose Umschulungskurse eingerichtet, wovon 80 Personen Gelegenheit ergriffen. Trotz großer Schwierigkeiten gelang es dem Direktor, den Anbau der zwei großen Werkstättengebäude durchzuführen. 1936 wurde er zum Regierungsrat ernannt. Die geplante Vermehrung der Abteilungen vereitelte der Anschluß an das Deutsche Reich. DIE STAATSFACH- UND DIE INGENIEURSCHULE (1938 - 1945) Die Verwaltung des Schülerheimes, das meist 100 Schüler beherbergte, ging sogleich in die Hände des Steyrer Magistrates über. Die Schule selbst wurde, wie schon oft in ihrer bewegten Geschichte, umbenannt. Bis 1942 hieß sie Staatsfachschule, dann, nach deutschem Muster, Ingenieurschule. Seitdem erhielten ihre Absolventen das Recht, nach vierjähriger Praxis den Titel „Ingenieur" zu führen. Im selben Jahr trat an die Stelle der dreijährigen Fachschule für Maschinen- und Werkzeugbau eine vierjährige Abteilung für Kraftfahrzeugbau. Direktor wurde der 1938 eingesetzte kommissarische Leiter Ing. Rudolf Mitterhauser. Der Lernerfolg litt sehr unter dem ständigen Wechsel, den die Einberufung älterer Schüler und vieler Lehrer verursachte. Als im Februar 1944 in der Nähe des Gebäudes zahlreiche Bomben gefallen waren, schien die Auflösung der Anstalt bevorzustehen. Die Schüler der ersten Jahrgänge übersiedelten in die Linzer Bundesgewerbeschule, die Steyr-Werke nahmen die Lehrer und älteren Schüler zum Arbeitseinsatz auf und erhielten die Maschinen und Werkstätten zugewiesen, bis schließlich empörte Arbeitskommandos plünderten; alles wurde fortgeschafft und die Bibliothek, das Archiv und die Kataloge gingen in Flammen auf. 11

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