Amtsblatt 1899/51 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 21. Dezember 1899

4 Für die bacteriologische Untersuchung können benützt werden: 1. das Exsudat von Bubonen, Carbunkeln oder Haut¬ blasen, 2. das Blut, 3. das Sputum. Geschieht die Entnahme des Exsudates und des Blutes durch andere Aerzte als durch den zur bac¬ teriologischen Untersuchung bestimmten Fachmann, so ist hiebei in folgender Weise vorzugehen: Das Exsudat von noch nicht aufgebrochenen Bubonen oder Carbunkeln suche man durch Punktion und Aspiration mit einer sterilisierten Pravaz'schen oder ähnli¬ chen Spritze zu gewinnen. Die Sterilisierung der Spritze soll entweder durch strömenden Wasserdampf (bei Vorhanden¬ sein eines Dampf=Desinfectionsapparates) oder durch kochendes Wasser bewirkt werden, wobei die Spritze minde¬ stens eine halbe Stunde lang einer Temperatur von 100 Grad C. ausgesetzt werden muss. Im Nothfalle, oder wenn die Zeit drängt, kann die Desinfection auch mittelst einer 0•lpercentigen, wässerigen Sublimatlösung geschehen, indem man die Spritze zuerst mit dieser Lösung und dann mehr¬ mals hintereinander mit concentriertem Alkohol und Aether füllt und entleert. Vor dem Einstechen in den Bubo oder Carbunkel muss die darüber liegende Haut nach dem Abrasieren etwa vorhandener Haare mittelst Seife gut ge¬ reinigt und mittelst einer 0•1percentigen Sublimatlösung desinficiert werden, welche aber dann mittelst Alkohol und Aether wegzuspülen ist, bis die Haut wieder ganz trocken erscheint. In gleicher Weise ist vorzugehen, wenn man den Jn¬ halt von Hautblasen gewinnen will, nur muss die Reinigung und Desinfection der Haut mit Vorsicht geschehen, damit hiebei die Decke der Blase nicht einreißt. Wenn es gelingen sollte, mit der Spritze mehr als einige Tropfen Flüssigkeit zu aspicieren, so kann letztere in ein sterilisiertes Gefäss (Eprouvette, Fläschchen) ausgespritzt werden; sonst muss aber die Füssigkeit in der Spritze blei¬ ben und letztere selbst in ein sterilisiertes Gesäss (Eprouvette, Fläschchen) gebracht werden. In beiden Fällen ist das betref¬ fende Gefäss mit einem durch die Flamme gezogenen Watta¬ pfropfen oder einem sterilisierten Stöpsel zu verschließen. Ist der Bubo oder Carbunkel bereits aufgebrochen und tritt das Exsudat deutlich zutage, so ist dasselbe ent¬ weder mit einem sterilisierten Capillarröhrchen aufzufangen oder mittelst eines geeigneten, sterilisierten Instrumentes in eine Eprouvette oder ein Fläschchen oder Uhrschälchen oder zwischen zwei Objectträger zu bringen, die aber ebenfalls steril sein müssen. Ist von dem aufgebrochenen Bubo oder Carbunkel auf die eben angegebene Weise kein Exsudat zu erhalten, so versuche man die Punktion und Aspiration mittelst der Spritze. Die Entnahme von Blut geschieht an einer Finger¬ beere oder am Ohrläppchen mittelst einer sterilisierten Nadel, nachdem vorher die Haut in der schon oben angegebenen Weise desinficiert worden war; zum Auffangen des Blutes bediene man sich eines sterilisierten Capillarröhrchens, welches hierauf in einer Flamme zugeschmolzen wird. Das vom Kranken etwa expectorierte Sputum wird in ähnlicher Weise wie das Exsudot eines aufgebrochenen Bubo in ein sterilisiertes Gefäss (Fläschchen oder Eprouvette) gebracht. Die Sterilisation aller bisher genannten Objecte kann entweder mittelst langsamen Durchziehens derselben durch eine Gas= oder Spiritusflamme, falls sie eine solche Hitze vertragen, oder in der oben für die Spritze angegebenen Weise geschehen. Alle jene Utensilien, welche bei den bisher beschriebenen Proceduren mit den Excceten ofer dem Blute des Kranken in Berührung gekommen waren, müssen zum Shlusse j ner Desinfectionsart unterzogen werden, welch überhaupt gegenüber den Excreten oder G brauchsgegenständen des Kranken in Verwendung zu kommen hat und im Abschnitte Vangeführt ist. Ist ein Kranker unter Pestverdacht gestorben, so kann der zur Feststellung der Todesursache designierte Arzt, falls er bacteriologisch geschult ist, beziehungsweise der requirierte bacteriologische Fachmann, wenn an der Leiche außn sicht¬ bare Bubonen oder Carbunkeln vorhanden sind, sich zunächst auf die bacteriologische Untersuchung dieser be¬ schränken. Zu diesem Zvecke wird der Budo oder Carbunkel nachdem die darüber befindliche Haut in der schon früher angegebenen Weise gereinigt und desinficiert worden war, mit einem ausgeglühten und wieder abgekühlten Messer eingeschnitten, und das Exsudat sogleich mikroskopisch unier¬ ucht; können hiebei mit voller B stimmtheit Pst acllen nachgewiesen werden, so hat die weitere Section, wenn ihre Vornahme nicht etwa aus wss nschaftlichen Gründen an¬ gezeigt erscheint, aus Rucksicht auf die Gefahr, mit welcher die Section für den Oscucenten und das Hilfspersonal verbunden ist, zu unterblieben. Ist aber das Resuliat der Untersuchung ein negatives oder zweifelhaftes, oder kann überhaupt die mikroskopiche Untersuchung wegen Mangels eines bacteriologischen Fach¬ mannes nicht sogleich vorgenommen werden, so muss nicht nur das Exsudat des Bubo, respective des Carbunkels, in der schon oben beschriebenen Weise behufs Vornahme von Cultur= und Thierversuchen oder behufs Versendung au den zu den bact riologischen Untersuchungen designierten Fach¬ mann gesammelt werden, sondern es ist auch die weitere Sec¬ tion unter den strengsten Vorsichtsmaßregeln vorzunehmen. Kann bei letzterer nicht mit voller Sicherheit eine andere Todesursache als Pest constatiert werden, so müssen behufs bacteriologischer Untersuchung sowohl das Ex udat von etwa vorhandenen Entzündungsherden, z. B. von einer Pneumonie, als auch der Saft von der Milz und das Herz¬ blut, beziehungsweise das Blut von einer großen Vene, ge¬ sammelt und, wenn kein bacteriologischer Fachmann an¬ wesend ist, dehufs Versendung in sterilisierte Gesäße gebracht werden. Das Einschneiden der betreff nden Orgine geschieht in der bereits bei den Bubonen angegebenen Weise. Auch sollen kleine Stücke von den genannten Organen, sowie von deu Bubonen behufs mikroskopischer Untersuchung in reine, concentrierten Alkohol enthaltene Gefäße gelegt werden. Zum Zwcke der Uebersendung der bishr angeführten Untersuchungsobjecte an den designierten Fachmann werden dieselben in ähnlicher Weise verpockt, wie es für die Ver¬ sendung von Choleradejecten vorgeschrieben ist. Das Untersuchungsresultat ist im kürzesten Wege so¬ wohl der Locolbehörde als auch der politischen Landesbehörde und dem Ministerium des Innern bekanntzugeben.

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