Amtsblatt 1895/51 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 19. Dezember 1895

aber, in welcher die internen Standesfragen der Lehrerschaft zum Gegenstande einer öffentlichen Agitation gemacht und einzelne politische Parteien zu Anwälten der Lehrerschaft aufgerufen werden, erschweren es der Schulbehörde, den in solcher Weise vorgebrachten Anliegen entgegenzukommen. Was endlich das politische Wahlrecht anbelangt, welches ein Mitglied des Lehrstandes als wahlbefähigter Staatsbürger genießt, so ist ihm schon durch seine Standespflichten die Ausübung desselben in einer Weise verwehrt, welche demon¬ strative oder mit seinem Stande und mit seinem Eide un¬ vereinbare Handlungen in sich schließt. Als eine solche müsste es erscheinen, wenn eine Lehr¬ person bei der zum Schutze der Wahlfreiheit unter geheimer Abstimmung vor sich gehenden Wahlhandlung in auffälliger Weise in der einen oder anderen Richtung Partei ergreifen oder hiebei gar eine agitatorische Thätigkeit entfalten würde. Durch eine solche Ausübung des Wahlrechtes stellt sich der Lehrer in die Reihen der politischen Kämpfer und beraubt sich der nothwendigen Objectivität, welche die wich¬ tigste Voraussetzung für die Erfüllung seiner berufsmäßigen Obliegenheiten bildet. Wenn hienach der Ausübung der allgemeinen politi¬ schen Rechte von Seite der Lehrerschaft keine weitergehenden Schranken gesetzt werden, als sie durch die Natur und die besonderen Pflichten des Dienstverhältnisses bedingt sind, so ist der Landesschulrath andererseits verpflichtet und ent¬ schlossen, im Interesse der Wahrung der Disciplin und zur Reinhaltung der öffentlichen Verwaltung von jedem Scheine der Parteilichkeit und Befangenheit mit aller Strenge gegen diejenigen vorzugehen, welche die ihnen nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen obliegenden Verbindlichkeiten außeracht lassen. Der Landesschulrath gewärtigt jedoch, dass sich die Lehrerschaft des Landes bei der Ausübung ihrer staatsbür¬ gerlichen Rechte auch fernerhin von jenen Grundsätzen der Staatstreue und des Pflichtgefühles wird leiten lassen, welche für ihr bisheriges Verhalten in dieser Richtung bestimmend waren. Zufolge Erlasses des hohen k. k. oberösterreichischen Landesschulrathes vom 25. November l. J., Z. 2179, werden die Schulleitungen hievon zur eigenen Kenntnisnahme und Darnachachtung und mit dem Auftrage verständigt, den vorstehenden Erlass den Lehrpersonen, soferne dieselben unter Diensteid stehen, zur genauesten Darchnachachtung bekannt zu geben und jeden Fall vorkommender Verletzung hieher zur Kenntnis zu bringen. Ueber die erfolgte Verständigung ist der Nachweis hieher vorzulegen. K. k. Bezirksschulrath Steyr, am 12. December 1895. Der k. k. Bezirkshauptmann: Hugo R. von Hebenstreit als Vorsitzender.

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