Amtsblatt 1895/51 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 19. Dezember 1895

Z. 1587/B.=Sch.=R. An die Schulleitungen. Directive hinsichtlich Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte seitens der Mitglieder des Lehrstandes. Infolge des mit der Note des k. k. Statthalterei¬ Präsidiums vom 22. August l. J., Z. 1849/Präs., mit¬ getheilten hohen Erlasses des Ministeriums für Cultus und Unterricht vom 10. August 1895, Z. 1315/C.=U.=M., findet der Landesschulrath auf Grund des Sitzungungsbeschlusses vom 22. ds. Mts. hinsichtlich der Ausübung der allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte seitens der Mitglieder des Lehr¬ standes an den öffentlichen Volks= und Bürgerschulen folgende Directive bekannt zu geben: Die Mitglieder des Lehrstandes an öffentlichen Volks¬ und Bürgerschulen nehmen ihrem Berufe nach im öffentlichen Leben eine Stellung ein, welche ihnen, wenn sie auch nicht den Charakter von Staatsbeamten bekleiden, dennoch ähnliche Pflichten und Rücksichten auferlegen, wie den Staatsbeamten und sonstigen staatlichen Functionären. Die für die letzteren directivmäßig statuierten princi¬ piellen Normen müssen daher auch für die Mitglieder des Lehrstandes an Volks= und Bürgerschulen als maßgebend erkannt werden. Es liegt auf der Hand, dass die hervor¬ ragende Vertrauensstellung der Volksschullehrer in vielen Fällen ein besonderes Maßhalten in der Ausübung der ihnen als Staatsbürger zustehenden allgemeinen Rechte erheischt, soll nicht einerseits das Vertrauen der Bevölkerung in die volle Objectivität derjenigen Männer, welchen die Erziehung der Jugend aller Volksstämme und aller Gesell¬ schaftsclassen gleichmäßig anvertraut ist, wesentlich erschüttert und andererseits das dienstliche Verhältnis zwischen den Volksschullehrern und ihren vorgesetzten Behörden in ab¬ träglicher Weise gelockert werden. Es gilt dies ebenso von dem Rechte auf freie Meinungsäußerung und dem Petitions¬ rechte, als von der Bethätigung der Volksschullehrer in Vereinen und Versammlungen sowie bei der Ausübung des politischen Wahlrechtes. Was zunächst das Recht, seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zum Ausdrucke zu bringen, betrifft, so ist dieses Recht auch den Lehrpersonen zugestanden. In Angelegenheiten aber, die ihr dienstliches Verhältnis betreffen, oder welche sie nur in ihrem Dienstverhältnisse kennen zu lernen Gelegenheit hatten, haben für sie nur ihre Dienstesvorschriften und ihr Diensteid maßgebend zu sein. Ebenso würde es den Elementarbegriffen der noth¬ wendigen Autorität und Disciplin im Schulorganismus widerstreiten, wenn Verfügungen der Schulbehörden seitens der ihnen untergeordneten Lehrpersonen einer nach außen dringenden, abträglichen Kritik unterzogen, sowie wenn in Fällen, wo Lehrpersonen sich durch Verfügungen der vor¬ gesetzten Behörden verletzt oder zu einer Beschwerde berechtigt glauben, ihre aus dem Dienstverbande entspringenden Be¬ ziehungen in der Oeffentlichkeit zur Erörterung gebracht werden würden, worin nur zu deutlich die Absicht zum Ausdrucke gelangt, solche Angelegenbeiten der Beurtheilung und Würdigung der hiezu zunächst berufenen Factoren, das ist der dienstlichen Vorgesetzten zu entziehen. Ein solcher Vorgang ist mit der Erhaltung der Ordnung im Dienste nicht vereinbar und kann von der Schulbehörde nicht geduldet werden. Auch das den Lehrpersonen als Bürgern des Staates zustehende Petitionsrecht soll denselben gewahrt bleiben und nur jene Form der Ausübung desselben hintangehalten werden, welche sich mit der Stellung und dem Ansehen des Lehrstandes nicht verträgt. In dieser Erwägung kann es namentlich nicht gebilligt werden, wenn aus den Kreisen der Lehrerschaft öffent¬ liche oder allgemein zugängliche Versammlungen zu dem Zwecke veranstaltet werden, um Petitionen zur Wahrnehmung bestimmter Standesinteressen zu erörtern und zu formulieren, wie auch die gefassten Beschlüsse mit Umgehung der vorgesetzten Behörde etwa im Wege der Vertretungskörper zur Kenntnis der Regierung zu bringen. Durch ein solches Vorgehen wird der natürliche und disciplinäre Verband zwischen den Lehrpersonen und ihren vorgesetzten Autoritäten gelockert und die volle Unbesangen¬ heit der Lehrerschaft gegenüber dem politischen Parteigetriebe in Frage gestellt. Es liegt darin auch eine Missachtung der in dem Dienstverhältnisse begründeten Pflicht, wornach die in diesem Verhältnisse Stehenden verpflichtet sind, ihre Wünsche und Beschwerden im Dienstwege, das ist durch ihre unmittelbaren Vorgesetzten, an die zur Entscheidung be¬ rufenen Stellen gelangen zu lassen, welche zur thunlichsten Wahrung der Interessen ihrer Untergebenen verpflichtet sind. Dies darf auch dann nicht außeracht gelassen werden, wenn eine Lehrperson, sei es eine einzelne oder mehrere, von dem ihnen durch die Verfassung eingeräumten Petitionsrechte Gebrauch macht. Indem der Landesschulrath gegen ostentative und disciplinarwidrige Formen des Petitionierens sich wendet, will derselbe in keiner Weise jenen Rechten nahetreten, welche das allgemein gewährleistete Vereins= und Versamm¬ lungsrecht auch den Mitgliedern des Lehrstandes zu einer zweckmäßigen und würdigen Vertretung ihrer besonderen Standesinteressen zugesteht. Wenn die in Ausübung dieser allgemeinen Rechte von den Mitgliedern des Lehrstandes gegründeten Vereine und einberufenen Versämmlungen sich auf die betheiligten Berufskreise beschränken und die Bestre¬ bungen der Lehrerschaft darin eine würdige, sachgemäße Erörterung finden, wird der Landesschulrath die aus solchen Vereinigungen an ihn gelangenden Wünsche und Beschwerden stets mit unbefangenem Wohlwollen prüfen. Versammlungen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2