Amtsblatt 1895/7 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 14. Februar 1895

2 mittags und am Abend nach 6 Uhr durch 2 Stunden, in den übrigen Orten bis 3 Uhr nachmittags gestattet. 5. Friseure, Raseure und Perückenmacher; die Sonn¬ tagsarbeit ist ohne Beschränkung gestattet. Es wird zu erwägen sein, ob nicht gegenüber der derzeitigen Bestimmungen über die Sonntagsarbeit bei der productiven und bei der Verschleiß=Thätigkeit der vorange¬ führten Gewerbe in mancher Richtung eine Abänderung, insbesondere im Sinne einer Einschränkung der Sonntags¬ arbeit Platz zu greifen hätte, wobei unter Umständen, so¬ weit besondere locale Verhältnisse maßgebend erscheinen, die Regelung zweckmäßiger Weise auch für bestimmte Gemein¬ den und Orte erfolgen kann. Bei dieser Regelung ist als Grundsatz festzuhalten, dass die Sonntagsruhe gleichzeitig für die ganze Arbeiter¬ schaft jedes Betriebes zu beginnen hat, sodass eine Festsetzung, wonach die Sonntagsruhe für einzelne Arbeiterkategorien innerhalb eines Betriebes successive beginnen resp. endigen würde, nicht zulässig erscheint. Die Regelung wird für die Sonntage im allgemeinen zu erfolgen haben, womit aber nicht ausgeschlossen ist, dass ausnahmsweise auch auf ein¬ zelne bestimmte Tage des Jahres Bedacht genommen werde. Was die Festsetzung der Stunden anbelangt, während welcher die Sonntagsarbeit nach Artikel IX beim Handels¬ gewerbe zulässig ist, so sind in gleicher Weise, wie bezüglich der Durchführung des Artikels VII von Seite der Genossen¬ schafts=Vorstehungen, der Gehilfenausschüsse, sowie der Ge¬ meinden ausführliche Aeußerungen bis zu obenbezeichneten Termin abzugeben. Hiezu wird bemerkt: Als Maximaldauer für den Be¬ trieb von Handelsgewerben am Sonntag hat im allgemeinen das Ausmaß von 6 Stunden zu gelten, wobei aber ein Herabgehen unter dieses Maximalausmaß, wenn dies nach den Verhältnissen thunlich ist, keineswegs ausgeschlossen ist. Bei der Ermittlung der Stunden werden die örtlichen Verhältnisse und die Bedürfnisse der Consumenten zu berück¬ sichtigen sein, wobei aber eine zu starke Zersplitterung und Vertheilung der Stunden auf verschiedene Tageszeiten thun¬ lichst zu vermeiden ist und insbesondere eine theilweise Ver¬ legung der Stunden auf die späteren Nachmittags= und Abendstunden nur ausnahmsweise, etwa wie derzeit für den Lebensmittelhandel in bestimmten größeren Orten, wo sich das Bedürfnis hienach geltend macht, zugestanden werden kann, da sonst die Sonntagsruhe für das Handelshilfs¬ personale leicht ganz illusorisch werden könnte. Die Festsetzung der Stunden kann nach Artikel IX, Absatz 6, für verschiedene Zweige des Handels verschieden erfolgen. Doch wird, vorbehaltlich bestimmter, durch ein that¬ sächliches Bedürfnis gerechtfertigter Abweichungen, die Rege¬ luna für alle Handelszweige einheitlich vorgenommen werden müssen, was sich schon aus Rücksichten gegenseitiger Con¬ currenz verwändter Handelskategorien und vom Gesichts¬ punkte einer erleichterten Controle der erlassenen Vorschriften empfiehlt. Unter Handelszweigen sind die aus der Gewerbe=An¬ meldung sich ergebenden Kategorien von Handelsgewerben, wie Specerei= und Colonialwarenhändler, Materialwaren¬ händler, Tuchhändler, Eisenhändler, Galanteriewarenhändler, Nürnbergerwarenhändler, Vermischtwarenhändler, Greisler u. s. w. zu verstehen. Dagegen hat sich die Regelung der Sonntagsarbeit nicht direct auf den Verkauf bestimmter Waren zu beziehen, sodafs etwa, wenn zum Beispiel für den Betrieb des Milch¬ handels oder für den von Fleischselchern, Bäckern u. s. w. ausgeübten Verschleiß bestimmte Stunden am Sonntag ge¬ stattet werden, auch der Greisler und Vermischtwarenhändler, welcher den Verkauf von Milch, Würsten oder Gebäck mit¬ betreibt, in den betreffenden Stunden, abgesehen von den für den Betrieb seines Geschäftes im allgemeinen freige¬ lassenen Stunden, den Verkauf von Milch, Würsten oder Gebäck ausüben dürfte. Denn bei dieser Handhabung würde die Einhaltung der Sonntagsruhe schwer zu überwachen sein. Andererseits wird bei der Festsetzung der Stunden darauf geachtet werden müssen, dass für die Handelszweige, welche dieselben Artikel führen, innerhalb desselben Ortes keine allzu großen Verschiedenheiten in der Betriebszeit an Sonntagen resoltieren. Außer den eigentlichen Handelsgewerben werden in diese Regelung auch die Trödler= und Pfandleihgewerbe (§ 2, B. 12, der Ministerial=Verordnung vom 27. Mai 1885, R.=G.=Bl. Nr. 83) einzubeziehen sein. Die Festsetzung der Stunden für den Handelsbetrieb kann für einzelne Gemeinden, unter Umständen auch Ge¬ meindetheile, verschieden erfolgen. Doch ist hiebei im Auge zu behalten, dass nicht in der Vertheilung der Stunden für den Geschäftsbetrieb an¬ grenzender oder benachbarter Orte fühlbare, auf die Con¬ currenz rückwirkende Ungleichmäßigkeiten entstehen. Abgesehen von der Festsetzung der im Maximum bis zu 6 Stunden gestatteten Sonntagsarbeit für den Betrieb des Handels während des ganzen Jahres kann nach Artikel IX, Absatz 4, an einzelnen Sonntagen, an welchen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erfordern, wie zur Weih¬ nachtszeit, an den Festtagen der Landespatrone, eine Ver¬ mehrung der zulässigen Dauer der Sonntagsarbeit beim Handel bis zu 10 Stunden zugestanden werden. Unter diese Bestimmung können auch die auf einen Sonntag fallenden Jahrmarkts= und Firmungstage subsummiert werden. Doch wird diese erweiterte Gestattung jedenfalls auf vereinzelte, genau specialisierte Fälle, soweit möglich auch auf bestimmte Orte eingeschränkt werden. Für den letzten Sonntag vor Weihnachten ist die Ausdehnung der Geschäftszeit an der betreffenden Gesetzes¬ stelle imperativ vorgeschrieben. Die Vermehrung der Geschäftszeit auf 10 Stunden kann ferner mit Berücksichtigung besonderer localer Verhält¬ nisse auch für alle Sonntage des Jahres oder für die Sonntage bestimmter Jahreszeiten oder sonstiger Zeitab¬ schnitte zugestanden werden. Diese Ausnahme wird im Hin¬ blicke auf die gesetzliche Bestimmung speciell auf Wallfahrts¬ orte bezüglich des Verkaufs von Wallfahrtsartikeln, Leb¬ zelten u. dgl., ferner auf den Verkauf von Obst und anderen Esswaren in bestimmten Ausflugs=, Erholungs= und Ver¬ gnügungsorten, wo ein besonderes Bedürfnis hienach be¬ steht und wo die Händler wesentlich auf den Absatz ihrer Waren an das diese Orte gerade am Sonntag aufsuchende Publicum angewiesen sind, endlich auf den Verkauf von Lebensmitteln, Zeitungen u. dgl. auf Bahnhöfen angewendet werden können. Der Artikel IX hat schließlich im Laufe der parla¬ mentarischen Berathung noch einen Zusatz erhalten, wonach für Orte mit weniger als 6000 Einwohnern, welche von der Bevölkerung der Umgebung an Sonntagen behufs Deckung ihrer Bedürfnisse aufgesucht werden, eine Ver¬ mehrung der Stunden, während welcher der Betrieb der Handelsgewerbe stattfinden darf, für alle Sonntage oder für die Sonntage bestimmter Jahreszeiten bis zu 8 Stunden zugestanden werden kann, wobei jedoch in diesen Handels¬ gewerben die Hilfsarbeiter nur bis zum Ausmaße von 6 Stunden verwendet werden dürfen.

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