Amtsblatt 1886/24 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 31. August 1886

2 Desinfectionsmittel mit entsprechender Anleitung über deren Verwendung nach Bedarf unentgeltlich zu überlassen. Behufs umsichtiger Durchführung aller vorstehenden und noch weiter nothwendigen localen Vorkehrungen muß in jeder Gemeinde aus den hiezu besonders geeigneten Orts ­ einwohnern und den im Orte ansässigen zur Verfügung stehenden Aerzten und Technikern eine Sanitätscommission gebildet werden, welche zur Ueberwachung, Anordnung und Durchführung der nöthigen Maßregeln ermächtigt ist. Der Vor ­ stand dieser Commission ist der Gemeinde-Vorsteher oder sein Stellvertreter. In größeren Orten wird die Ortscommission in Sectionen zu theilen sein, welchen die Besorgung be ­ stimmter Arten der zu treffenden Vorkehrungen zuzuweisen ist. Die politischen Behörden haben den genauen Vollzug aller aus Anlaß der Epidemie erlassenen Vorschriften und insbesondere die sanitätspolizeiliche Wirksamkeit der Gemeinden genauestens zu überwachen und dafür zu sorgen, daß die von den Sanitätscommisstouen für nothwendig befundenen Maßnahmen, insofern sie sich innerhalb des Rahmens der bestehenden Gesetze und dieser Jnstruction bewegen, bei den Gemeinden die entsprechende Berücksichtigung finden. Ins ­ besondere haben die l. f. Bezirksärzte die Verpflichtung, in den Gemeinden Nachschau zu pflegen, die Controle über die Ausführung der angeordneten Maßregeln mit allem Ernste zu üben, und bei Vorgefundenen Gebrechen entweder selbst sofort die Abhilfe anzuordnen, oder, und zwar besonders in Fällen der Renitenz die Anzeige an die Bezirkshauptmann ­ schaft zu erstatten. 0. Maßregeln beim Ausbruche der Cholera. Sobald in einem Orte der erste Cholerafall vorkommt oder die bereits erloschene Seuche wieder ausbricht, ist von dem Gemeinde-Vorsteher hievon der Bezirkshauptmannschast telegraphisch, oder falls dies nicht möglich ist, auf dem kürzesten Wege die Anzeige zu erstatten. Zugleich hat der Ortsvorstand die unverzügliche Einberufung der Sanitäts-Commission zu ver ­ anlassen und das nöthige betreffs der Jsolinrng des Kranken, re. einzuleiten. In Gemeinden mit eigenem Statute ist dieser Anzeigepflicht durch Erstattung der Anzeige an die politische Landesbehörde nachzukommen. Der Bezirksarzt hat sich sogleich nach dem Eintreffen der Anzeige behufs Feststellung der Krankheit an Ort und Stelle zu begeben. Bestätigt sich der Ausbruch der Cholera, so sind von ihm sofort die nöthigen Weisungen behufs Be ­ kämpfung der Seuche zu ertheilen. Es ist von der größten Wichtigkeit die allerersten Cholerafälle richtig zu erkennen, weil durch unrichtige Dia ­ gnosen einerseits die beste Zeit zum Einleiten der erforder ­ lichen Maßregeln verloren geht, anderseits aber auch, wenn kein wirklicher Cholerafall vorlag, eine ganz ungerechtfertigte Aufregung der Bevölkerung und ein nutzloses Aufgebot von Maßnahmen vermieden werden kann. Es muß daher mindestens beim Beginne der Epidemie bei jedem choleraverdächtigen Todesfälle die sanitätspolizeiliche Obduction der Leiche vor ­ genommen werden, und wenn durch den Obduktionsbefund nicht in völlig zweifelloser Weise das Vorhandensein der Cholera ausgeschlossen wird, so ist auch die bacteriologische Untersuchung des Dünndarminhaltes zu veranlassen. Die politischen Landesbehörden haben diesfalls die nöthigen Ein ­ leitungen zu treffen, damit die mikroskopische Untersuchung durch hiemit völlig vertraute Fachmänner besorgt wird. Sobald in einem Orte ein Cholerafall festgestellt ist, tritt für jeden Inhaber (Eigenthümer oder Miether) einer Wohnung die Verpflichtung ein, der Gemeindebehörde un ­ verzüglich die Anzeige zu erstatten, sobald unter den Wohnungs ­ genossen ein Cholerafall vorkommt? Diese Anzeigepflicht obliegt auch dem behandelnden Arzte. Die Ortsbewohner sind von dieser Verpflichtung in ortsüblicher Weise in Kenntniß zu setzen, und ist über diese Verlautbarung eine schriftliche ämtliche Bescheinigung aus- zufertigen und der politischen Bezirksbehörde einzusenden. Auf die strenge Erfüllung der Anzeigepflicht muß mit allem Nachdruck gewirkt werden. Ohne eine, nicht bloß an ­ befohlene, sockreru auch wirklich ausgeübte Anzeigepflicht wird alle Seuchenpolizei illusorisch. Es darf nicht geduldet werden, kleinlicher Rücksichten wegen ein ganzes Land zu gefährden und es ist eine Verkehrtheit, das Elend anwachsen zu lassen, bevor man es zugesteht und bekämpft. Auf Grund der eingegangenen Anmeldungen von Cholera-Erkrankungen sind nach dem Schem a * ) Zusammen ­ stellungen anzulegen und dieselben innerhalb zu bestimmender Fristen an die Bezirkshauptmannschast behufs Berichterstattung an die Landesstelle einzusenden. *) Das Schema zur Zusammenstellung wird im nächsten Amtsblatt« gleichzeitig mit der Fortsetzung der Jnstruction Nach ­ folgen. Die Cholerakranken sind in ihren Wohnungen zu isoliren; falls ungünstige häusliche Verhältnisse die Jsolirung nicht ermöglichen, ist auf die Ueberführung des Kranken in das Nothspital hinzuwirken. Liegen die Umstände derart, daß die sanitären Jutereffen besser gewahrt werden, wenn der Kranke in der Wohnung belassen wird, so ist für die Delogirung der Gesunden zu sorgen. Zum Krankentransporte dürfen dein öffentlichen Ver ­ kehr dienende Fuhrwerke nicht benützt werden. Hat eine solche Benützung dennoch stattgefunden, so ist das Gefährte zu desinficiren. Perfonen, welche mit Cholerakranken, deren Effecten, oder mit Choleraleichen in Berührung gekommen sind und sich mit den Ausleerungen derselben beschmutzt haben könnten, sollen, bevor sie mit Menschen in Verkehr treten, sich einer sorgfältigen Reinigung unterziehen und insbesondere, bevor sie etwas genießen, ihre Hände mit Carbollösung desinficiren. In Räume, wo sich Cholerakranke befinden, dürfen keine Lebensmittel gebracht werden. Essen und Trinken in denselben ist seitens Gesunder zu vermeiden. Hierüber sind sowohl die Angehörigen des Kranken, wie dessen Wärter und sonstige Personen, welche mit dem Kranken in Verkehr kommen, das Dienstpersonale rc. zu belehren. Ganz besondere Aufmerksamkeit ist der Desinfection und Reinigung der Kleider, Wäsche und Betten der Kranken und Verstorbenen zu widmen. Vor erfolgter Desinfection dürfen diese, sowie überhaupt jene Gegenstände, welche mit den Ausleerungen beschmutzt sind, aus den Krankenräumen nicht entfernt werden, und ist hierauf umso strenger zu be ­ stehen, als durch das Verbringen solcher Gegenstände in andere Orte am häufigsten die Seuche verschleppt wird. Vor allem sind die Wäscherinen anzuweisen, daß sie Wäsche von Cholerakranken, sowie Wäsche von Fremden, während der Cholerazeit nie anders als im desinsicirten Zustande zur Reinigung übernehmen, und sind dieselben insbesondere zu verpflichten, daß sie derartige Wäsche in besonders hiefür bestimmten Behältern transportiren und deren Reinigung abgesondert von jener anderen Wäsche vornehmen. Wasch ­ anstalten sind diesbezüglich polizeilich zu überwachen. Die Versendung von gebrauchten Kleidungsstücken, Wäsche, Betten und sonstiger Habe von Cholerakranken oder Verstorbenen im nicht desinsicirten und ungereinigten Zu ­

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2