Amtsblatt 1886/23 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 20. August 1886

4 Jnfectionsstoffe die günstigsten Bedingungen zu seiner Ent ­ wicklung zu entziehen und denselben unwirksam zu machen. Es muß schon hier hervorgehoben werden, daß der günstige Erfolg aller prophylaktischen Maßregeln wesentlich von der willigen und verständigen Mitwirkung der Bevölkerung ab- hängt, weßhalb derselben nahezulegen ist, daß jeder für sich und die Seinen am besten sorgt, wenn er durch Unterstützung der Behörden und der Aerzte in ihrem Bemühen zur Ab ­ wehr der Seuche das Allgemeinwohl fördert und den getrof ­ fenen Anordnungen auch im eigenen Hause Folge leistet. Vorkehrungen gegen die Einschleppung der Cholera zu Lande über die Reichsgrenze. Absperrungs- und Contumazmaßregeln haben sich, so oft und wo immer sie versucht worden sind, zu Lande als wirkungslos erwiesen. Schon die internationale Sanitäts-Conferenz in Con- stantinopel im Jahre 1866 hat sich dahin ausgesprochen, daß Sanitätscordone in der Mitte einer dichten und zahlreichen Bevölkerung angewendet, von unsicherem, selbst schädlichem Erfolge sind, und die internationalen Sanitäts - Conferenzen im Jahre 1874 zu Wien und im Jahre 1885 zu Rom haben Landquarantainen nnd Sanitätscordone geradezu als nutzlose Absperrmaßregeln bezeichnet. So weitgehende Schutzvorkehrungen dürfen aber auch aus dem Grunde weder dem Auslande gegenüber, noch gegen choleraverseuchte Gegenden des Inlandes in Anwendung kommen, weil so weitgehende Verkehrs-Beschränkungen die wirthschaftlichen und Erwerbsverhältnisse eines großen Be ­ völkerungskreises in empfindlichster Weise schädigen, Arbeits ­ losigkeit und in ihrer Folge Dürftigkeit und Verkümmerung der Existenzbedingungen in Volksschichten, deren Widerstands ­ fähigkeit gegen Erkrankungen ohnehin eine geringe ist, gerade zu einer Zeit hervorrusen, zu welcher die Volksgesundheit so bedenklich bedroht ist. Die zulässigen Abwehrmaßregeln, welche gegen die Einschleppung der Cholera zu treffen sind, lassen sich übrigens nicht in einem allgemein anwendbaren Schema nach Art eines Receptes vorschreiben, weil Maßregeln, die erfolgreich sein sollen, sich nach den Besonderheiten richten müssen, welche die verschiedenen Orte und Gegenden, gegen welche sie gerichtet werden, in epidemieologischer Beziehung darbieten, dabei auch die sanitären Verhältnisse, Einrichtungen und Vorkehrungen in Bedacht zu nehmen sind, welche in den Orten und Ländern bestehen, gegen welche Abwehrmaßregeln nöthig sind und in jenen Orten und Ländern, welche ge ­ schützt werden sollen. Da nicht jeder choleraverdächtige Fall schon bei der ärztlichen Revision an der Grenze erkannt werden kann, so muß dem Gesundheitszustände der aus Choleragegenden ein- treffeuden Personen auch noch in ihrem jeweiligen Aufent ­ haltsorte eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es sind daher Gastwirthe, Herbergsväter und überhaupt Personen, welche Unterkunstsorte für Fremde halten, zu ver ­ pflichten, über das Eintreffen solcher Fremden und deren Gesundheitszustand bei der Ortspolizeibehörde Anzeige zu erstatten und vorkommende verdächtige Erkrankungsfälle so ­ fort zur Kenntniß der Behörde zu bringen. Letztere hat Vor ­ sorge zu treffen, daß die Unterkunstsorte für Fremde einer besonderen sanitären Beaufsichtigung unterzogen, in Erkran ­ kungsfällen dem Erkrankten die nöthige Unterkunft, Behand ­ lung und Pflege gesichert, zugleich aber auch alles eingeleitet werde, was zur Tilgung des Ansteckungsstoffes und zur Verhinderung seiner weiteren Verschleppung je nach Um ­ ständen erforderlich ist. k. Vorkehrungen zur Verhinderung derWeiter- verbreitung derCholera in dem im Reichsrathe vertretenen Ländergebiete. Die vorbeugenden Maßregeln, welche gegen die In ­ vasion und Weiterverbreitung im Inlands zu ergreifen sind, gehören zum großen Theile nicht nur der Seuchenpolizei an, sondern bilden die wesentlichste Aufgabe der öffentlichen Ge ­ sundheitspflege überhaupt, deren Anforderungen schon in gewöhnlichen Zeiten, wenn keine Epidemie in Sicht ist, ge ­ nügt werden sollte, denen aber um so energischer und voll ­ ständiger entsprochen werden muß, wenn eine Gefahr droht. Es kommt alles darauf an, den Anfängen zu widerstehen, zu verhüten, daß der Cholerakeim einen günstigen Nährbooen finde, auf dem er sich üppig entwickeln und vermehren kann. Es ist daher mit allem Nachdrucke dahin zu wirken, daß bereits vor dem Auftreten der Seuche die Reinigung des Bodens, der Häuser, der Gassen rc. vollzogen sei, damit beim Auftreten der ersten.Cholerafälle, die stets eingeschleppt sind, dem Cholerakeime die günstigen Bedingungen zur epi ­ demischen Ausbreitung entzogen seien. Aus diesen Gründen ist auf die Reinigung der Straßen, Plätze und Gebäude von faulenden und fäulnißfähigen Sub ­ stanzen, auf eine zweckmäßige Beseitigung der Abfälle der Haushaltungen und gewerblichen Anlagen, insbesondere der Schlächtereien zu dringen. Kann die Ableitung der Abfall ­ wässer nicht in genügender Art geschehen, so muß durch Her ­ stellung einer ergiebigen Spülung mit Wasser in den gerei ­ nigten Abzugscanälen nachgeholfen werden. Die Anlage von Versickerungsgruben für Schmutzwässer bei oder in der Nähe von Wohnungen ist strengstens zu verbieten. Abtritts- (Senk-) Gruben sind, so lange die Cholera noch nicht ausgebrochen ist, häufiger zu entleeren; dabei ist dahin zu wirken, daß fehlerhaft angelegte oder durchlässig befundene ordnungsmäßig hergestellt werden. Nach dem Aus ­ bruche der Epidemie ist die Räumung auf das Nothwendigste zu beschränken, jedoch das Ueberlaufen des Inhaltes derselben zu vermeiden. Muß eine Räumung stattfinden, so ist der vorher zu desinficirende Inhalt der Gruben in beträchtlicher Ent ­ fernung von Wohngebäuden und insbesondere von Brunnen, Wasserbehältern (Brunnstuben), Wasserleitungen auf Felder zu verbringen und daselbst zu verscharren. Unter keinen Um ­ ständen - ist zu dulden, daß Fäcalmassen in Bäche, Teiche oder auf Dungstätten geschafft werden. Dem öffentlichen Verkehre zugängliche Aborte und Bedürfnißanstalten, deren Benützung durch Cholerakranke oder mit Cholera-Diarrhöe behaftete Personen zu besorgen steht, sind einer regelmäßigen Desinfection zu unterziehen. (Fortsetzung folgt.)

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