Oberösterreichischer Volkskalender 1928

nun aus Vorsicht weiteres Gehen vermeidet, solange es sich noch nicht sicher fühlt. Denn davon darf man überzeugt sein: die kleinen Kinder wissen in der Regel am allerbesten, was für sie gut und zuträglich ist und was eine Ueberbelastung bedeutet! Es ist falsch, die Kinder gehen lehren zu wollen. Es ist falsch, sie kriechen zu lehren, sie aufzurichten, wenn sie noch liegen. Das müssen sie alles von selbst tun. Sobald sie sich kräftig gem,1g fühlen, richten -8ie sich auf, kriechen umher, fangen zu gehen an. Ein Vergleich mit anderen Kindern ist untunlich; alle Kinder sind verschieden. Richtet man die Kinder zu früh auf usw., so können leicht Verbiegungen von Knochen eintreten, zu denen es nicht gekommen wäre, wenn man den natür– lichen Entwicklungsgang abgewartet hätte. Werm allerdings die Kinder mit 20 Monaten, 2 Jahren usw. nicht zu laufen beginnen, so ist es gut, deri Arzt zu befragen, denn dann steckt häufig eine Krankheit dahinter. Die Familien werden kleiner. Die deutsche Familie umfaßt heute durchschnittli~h 4.07 Personen, Eltern, Kinder sowie Hausangestellte; sie ist seit 1910 um etwa 10 v. H. zurückgegangen. Die Zahl der Geburten (auf 10.000 Einwohner berechnet) ist von 275 im Jahre 1913 auf 204 im Jahre 1925 zurückgegangen. Wenn trotzdem eine ziffermäßige Zunahme der Bevölkerung um 500.000 Köpfe feststellbar war, so hat daran der Rückgang der Sterblichkeit einen wesentlichen Anteil. Die Statistik hat erhoben, daß die .Verteilung der Geburten auf die•einzelnen Monate fast überall in allen Ländern die gleiche ist, da die meisten Geburten im Februar, die wenigsten im Juni stattfinden, sowie daß die Knabengeburten ganz außerordentlich stark die der Mädchen überwiegen. · In Deutschland und Oesterreich zeigen sich ähnliche Ziffern: auf 1000 Mädchen entfallen jew~ils 1044 Knaben, in der Scij:w,~i~ auf 1000 Mädchen 1042 Knaben, in Frankreich beträgt der Ueberscnu13: Knaben 1041, in England 1036, in Belgien 1047, in Holland und Dänemark 1053, in Schweden und Ungarn 1056, in 1talien 1057, in Norwe– gen 1058. In Rumänien wurden gleichzeitig mit 1000 Mädchen 1073 Knaben zur Welt gebracht; darüber hinaus gehen noch Portugal mit 1093 und Spa– nien mit 1102 Knabengeburten. Von „linkshändigen" Kindern. Viele Kinder gelten als ungeschickt, weil niemand erkannt hat, daß sie Linkshänder sind. Die Kinder selbst sehen, daß sie hinter den anderen in ihren Leistungen zurückstehen, und das Gefühl ihrer Untüchtigkeit verstärkt ihre Unbeholfenheit. Manche Bega– bungen verkümmern und die Kinder wachsen zu unbefriedigten und unfro– hen Menschen heran. Aufmerksame Mütter aber könnten hier viel verhin– dern und den Lehrer, später vielleicht auch den Lehrmeister, auf die Veran– lagung hinweisen. Bis etwa zum Schulbeginn bevorzugen die meisten Kin– der weder die rechte noch die linke Hand. Der häufige Gebrauch der linken Harid veranlaßt ja geradezu zu der ständigen Mahnung, ,,das schöne Händchen" zu geben, den Löffel in die „richtige Hand" zu nehmen usw. Man schätzt die Zahl der Menschen, die eine ausgesprochene Veranlagung zur Linkshändigkeit haben, auf etwa zehn von hundert, also einen nicht gar so kleinen Prozentsatz. Da sie jedoch immerhin in einer erheblichen Min– derheit sind, so ist es selbstverständlich, daß man sich im Gemeinschafts– leben auf die stärkere Betonung der rechten Seite einigt, zum Beispiel beim Ausweichen und Ueberholen, beim Bau von Werkzeugen und Maschinen, bei der Anbringung von Hausgeräten, wie Türklinken, Griffen und derglei– chen mehr. Nur begeht man den Fehler, über das praktisch Notwendige hinauszugehen und die Linkshänder auch dort gedankenlos zu vergewalti– gen, wo es ganz gleichgültig ist, mit welcher Hand etwas getan wird. Man sollte beispielsweise das kleine Kind ruhig mit der linken Hand seine 88

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2