Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Vollkommenheit. Zu den Geschmacklosigkeiten der Selbstbeweihräuche– rung fügt der Diktator folgendes niedliche Bekenntnis: ,,Gelegentlich wer– den Frauen in sehr beschränkter Zahl zur Audienz vorgelassen. Im Palazzo Chigi habe ich mich gewöhnt, hier und da ein Frauengesicht vor meinem Arbeitstisch zu sehen, aber ich bin eigentlich dafür, ihnen den Eintritt zu wehren. Im Palazzo Viminale, im Ministerium des Innern, wo ich am Mor– gen arbeite, habe ich strikteste Anweisung gegeben, nie eine Frau einzu– lassen. Frauen hemmen die rasche und gründliche Erledigung der Arbeit, da sie kein Verständnis für den geschäftsmäßigen Charakter der Arbeit haben. Ihre Anwesenheit verlangt unnütze Höflichkeitsbezeugungen, die man sich unter Männern schenken kann." Der allmächtige Diktator fühlt, daß vor ewig unabänderlichen Naturgesetzen selbst der Faschismus kapi– tuliert, und man mit ganzen Armeen von Schwarzhemden nicht ihre Not– wendigkeiten besiegen kann. Was tut er? Er wählt den typischen Weg des Psychopathen, er weicht aus. Die Welt soll und darf nicht erleben, daß der Allgewaltige von Frauentränen erweicht wird, vor Frauenblicken erzittert oder gar von Frauenklugheit besiegt wird. Mussolini, das Uebergenie des ,,männlichen" Faschismus, hat Angst vor der einzelnen Frau! * In der über eine halbe Million betragenden Zahl der deutschen Kriegs– beschädigten befinden sich auch 1150 Frauen. Es dürfte sich dabei wohl hauptsächlich um die Opfer von Fliegerangriffen und ähnlichen kriegeri– schen Ereignissen handeln. * Eine Reihe von Versuchen, die vom psychologischen Laboratorium der amerikanischen John Hopkins-Universität vorgenommen worden sind, ha– ben ergeben, daß die Frauen während einer gewissen Zeitdauer eine größere Arbeitsmenge leisten können, dagegen die Männer eine größere Sicherheit des Urteils besitzen. Zu den Versuchen wurden je 542 Studen– tinnen und Studenten aus verschiedenen Teilen des Landes im Alter von 16 bis 39 Jahren herangezogen. Bei früheren ähnlichen Versuchen mit Schulkindern hatte sich ergeben, daß die Mädchen schneller und genauer arbeiteten, von den Knaben jedoch bei der Abschätzung von Entfernungen und Gewichten übertroffen wurden. Bei den neueren Versuchen wurde von jedem Studenten verlangt, daß er im voraus angebe, wieviel Arbeit bei der Lösung einer bestimmten, vorher eingehend erklärten Aufgabe während eines gewissen Zeitraumes geleistet werden könne. Zur Beantwortung die– ser Frage war das eine Mal 1 Minute 15 Sekunden und das zweite Mal 1 Minute Zeit gelassen worden. Die Ergebnisse wurden sorgfältig unter– sucht und in Tabellen gebracht. In bezug auf die Aufmerksamkeit, mit der die Anweisungen befolgt wurden, und die Genauigkeit bei der Lösung der gestellten Aufgaben bestand zwischen den Männern und den Frauen kein merklicher Unterschied, aber die Frauen verrichteten mehr Arbeit als die Männer. Dagegen waren die Männer genauer bei der Abschätzung der Arbeit, die während einer gewissen Zeit verrichtet werden konnte. Die Leistungen der Frauen zeigte untereinander eine größere Verschiedenheit als die der Männer. Bisher hatte man allgemein angenommen, daß gerade die Männer mehr von einander abweichen als die Frauen. * Frauen werden eine wichtige Rolle in dem drahtlosen Telephonverkehr zwischen London und Neuyork spielen. Die Telephonistinnen werden aus der Zahl der im gewöhnlichen Telephondienst beschäftigten Beamtinnen ausgewählt und müssen besonderen Anforderungen genügen. Vor allem ist 86

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