Oberösterreichischer Volkskalender 1928

haben natürlich von den so „geretteten" Sachen nie etwas wiedergesehen. Dafür ließen sie sich den Schaden von der Stadt ersetzen, die die Verpflich– tung gehabt hätte, den Aufruhr polizeilich niederzuschlagen. Wie man sich die Niederschlagung durch die Polizei, d. h. den alten, ewig benebelten Wachthans, vorstellte, wurde freilich nicht verraten. Nachdem die Bauern im Schlosse aufgeräumt hatten, drangen sie in den Keller. Dort schlugen sie den Weinfässern den Boden aus, so daß der Wein bald kniehoch im Keller stand. Ein Zufall rettete den Rentmeistern das Leben. Bei dem ersten Schlag auf ihr Faß sprang der Spund heraus. Als die Bauern sahen, daß es leer war, ließen sie es unbehelligt. Die Weinflut im Keller sollte indessen doch nicht ihren Beruf verfeh– len. Auf dem Bande des Brunnenbeckens standen zur Reinigung die herr– schaftlichen Nachttöpfe. Diese schwenkten die Bauern ein wenig aus, füll– ten sie mit Wein und ließen sie dann gemütlich reihum gehen. Die beiden Rentmeister, die in ihrem Fasse bis an den Nabel im Weine saßen, bedien– ten sich, wie einst Diogenes, beim Trinken der hohlen Hand. Sie wurden einige Tage später in einem schrecklichen Zustande hervorgezogen. Während die Bauern die Nachttöpfe kreisen ließen, versuchte ihnen ein alter Weber meines Großvaters Vernunft zu predigen. „Das kann euch alles nichts nützen," erklärte er mit schlauer Miene den aufhorchenden Bauern. ,,Dort im Archiv liegt alles schriftlich, auch euer Holzprozeß. Wenn die Riedesel zurückkommen, holt das Gericht die Akten hervor und ihr seid so weit wie vorher. Nicht die Möbel, die Akten hättet ihr zerstören müssen." Das schlug ein. Die Nachttöpfe flogen auf das Pflaster und die Bauern stürmten das unweit des Schlosses gelegene Archiv. Der ganze Inhalt wan– derte auf die Straße. Rasch herbeigeholte Leiterwagen brachten die Pa– piermassen aus der Stadt ins Freie, wo die Bauern auf dem Felde einen rie– sigen Scheiterhaufen errichteten. Inzwischen war es Nacht geworden. Die Lohe der brennenden Akten und Urkunden färbte den Himmel blutrot. Der noch immer tagende Gemeinderat ließ die Feuerwehr alarmieren. Da sich jedoch der Scheiterhaufen außerhalb der Gemarkung befand, stellte der Bürgermeister fest, daß man nur zur Entsendung der Landspritze ver– pflichtet sei. Die Landspritze aber war schon seit einem halben Jahre in R€paratur. So verkündeten bald gar lustige Weisen, daß die Feuerwehr in den verschiedenen Wirtshäusern des Städtchens sich mit Löschen beschäf– tigte. Währenddessen setzten im Burghofe beim roten Schein des Himmels die Hyänen des Schlachtfeldes die „Rettungsarbeiten" fort. Am nächsten Morgen war das Schloß völlig geleert und der Inhalt des Archivs bis auf das letzte Papierschnitzelchen verbrannt. An dem Eigen– tum der Bürger und der Stadt hatte sich kein Bauer vergriffen. Doch recht froh konnten die Bauern ihres leichten Sieges nicht werden. Es schwante ihnen, daß böse Dinge nachkommen würden. Um diese unan– genehme Empfindung zu betäuben, unternahmen sie einen neuen Sturm. In geschlossener Marschkolonne verließen sie am 4. März plötzlich das Städtchen und wandten sich dem eine knappe Stunde südlich gelegenen Riedeselschen Schlosse Eisenbach zu. Hier leisteten die Förster Wider– stand und erschossen einige Bauern. Das steigerte jedoch nur die Wut der Aufrührer. Die Förster flüchteten mit knapper Not, nachdem die Schloß– herrschaft schon früher das Weite gesucht hatte. In Eisenbach legten die Bauern Feuer an, was aber dem massiv steinernen Schlosse wenig Schaden tat. Auch ein Kellerfest mit Nachttöpfen fehlte nicht. 81 6

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