Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Der große Brand in Steyr vor 200 Jahren. Die alte Stadt Steyr hat viele verheerende Brände im Laufe der Zeiten über sich ergehen lassen müssen; eine traurige Brandchronik berichtet über unermeßliche Schäden, die die Bewohner der Stadt durch längere Zeit in schwere finanzielle Bedrängnis brachten und viele herrliche alte Baulichkeiten wurden leider dabei zerstört. - Es sind gerade jetzt 200 Jahre gewesen, da wurde Steyr von einem äußerst schweren Brand– unglücke heimgesucht - einem der gefährlichsten und größten, das je Steyr betroffen hat. Der 29. August 1727 bildete lange Zeit ein schwarzes Blatt in der Geschichte Steyrs. Lassen wir den Chronisten Steyrs Franz Xaver Pritz in seiner Ge– schichte der Stadt über den Brand vom Jahre 1727 selbst sprechen. „Es war ein Freitag (der 29. August), schon ziemlich frühe brannte es im Hause der Witwe des Elias Radinger, Färbers in Ennsdorf (das spätere Färber-Könighaus in der Haratzmüllerstraße - neben dem Färberbrun– nen dort). Man löschte in der Stille, allein gegen halb 10 Uhr vormittags brach das Feuer mit aller Heftigkeit los, ein starker Wind verbreitete die Flammen ringsherum, da die Dächer ohnehin von der großen Hitze der Jahreszeit ganz trocken waren. Die Färbermeisterswitwe behauptete zwar, der Brand sei im benachbarten Bräuhause des Matthias Wenger ent– standen, und es entstand darüber ein großer Streit, allein eine genaue Un– tersuchung bestätigte den Ursprung des Feuers im Färberhause. Der größte Teil des Ennsdorfes brannte ab, nur in das äußere Enns– dorf auf der Straße nach Unterösterreich drang das Feuer nicht. Dann ergriff es die Ennsbrücke und das Thor, selbst das Thor und die Brücke über die Steyer; es wandte sich nun vorzüglich gegen die Enge, deren Ab– teilung an der Wasserseite ganz abbrannte, auch die Häuser auf dem Platze bis Nr. 30 wurden vom Feuer verwüstet. Das letzte war Nr. 29 (Meditzhaus). Auf der anderen Seite wurden alle Häuser von der Enge angefangen bis Nr. 126 (Wittigschlagerhaus) ein Raub der Flammen. Auch das Lambergische Schloß, viele Häuser auf dem Berge (Berggasse), das Nonnenkloster, ferner der sogenannte Oehlberg, wo die Fleischbänke sind, sammt den benachbarten Häusern, ja sogar im Voglsang die Mühle, das Hammerschmied- und Bräuhaus gingen im Feuer zu Grunde. Am fürchter– lichsten wüthete dasselbe im Nonnenkloster (heute zum Teil das Stadtthea– ter), welches auf drey Seiten zugleich zu brennen anfing, am Kirchendache, an der Planke gegen den äußeren Garten und bei den 60 Klafter Holz, wel– che aufgeschlichtet dastanden. Die Priorin war ohnehin unpäßlich und vor Schrecken nun halb todt, doch befahl sie, zuerst die Kranken und alten 71

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