Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Wirtin und ihren Eigenarten und verbrachte die meiste Zeit außer dem Hause und ergab sich mit Tagdieben dem Trunke. War ein Lasterleben, das die erboste Wirtin zur Hölle umwandelte. Nach einigen Jahren brachte man den Wirt mit eingeschlagenem Schädel vom Joch herab. Er hatte schwer betrunken den Uebergang machen wollen und ist abgestürzt. Die Wittib wartete diesmal zwei Jahre. Dann aber nahm sie den vier– ten Mann. Im Dorf wie im ganzen Tal aber glaubte es jedes, die Wirtin hätt' eine weiße Leber. Wer ein Weib mit weißer Leber nimmt, muß früher als das Weib sterben. Der vierte Mann erfuhr davon natürlich auch, wurde darob ganz r abiat und nun drehte sich der Spieß. Das Hausregiment führte er und die Wirtin mußte kuschen, so weh ihr das auch tat. Das ging einige J ahre gut, dann aber kränkelte der Mann, schleppte sich einige ~onat' fort, bis der gefährliche März ihn ins Grab riß. Noch keine achtunddreißig Jahre war die Wirtin alt und schon vier Männer waren ihr gestorben. Obwohl sie noch immer ein stattliches Weib war , wollte doch in der ganzen Gegend keiner vom Hochzeiten mehr was wissen. Die Wir tin blieb gezwungen Wittib. Mit vierzig Jahren aber muß jedes Weib mit weißer Leber sterben und richtig so kam es auch. Die Ahnl hat alles überlebt und ist wieder Herrin über den schönen Hof wor– den, was sie ehnder war. Die Sage von der weißen Leber ist heute noch in einigen Hochgebirgs– gegenden verbreitet und wird steinfest geglaubt. (Aus Reclams Universal'-Bibl'iothek.) f\phorismen . Die Menschen sind tausendmal mehr bemüht sich Reichtum als Geistesbildung zu erwerben, während doch ganz gewiß, was man ist, viel mehr zu unserem Glück beiträgt, als was man hat. Sc h o p e rr hau er. * Um durch die Welt zu koi:nmen, ist es zweckmäßig einen großen Vorrat von Vorsicht und Nachsicht mitzunehmen. Durch erstere wird man vor Schadell' und Verlust, dur.::h letztere vor Streit und Händeln geschützt. S c h' o p e n hau e r. * Wenn ,vir die Menschen nur ~ehmen wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, al wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind. G o e t h e. * Es siegt imtner und notwendig die Begeisterung über den, der nicht begeistert ist. Nicht die Gewalt der Arme, noch die Tüchtigkeit der Waffen, sondern die Kraft des Gemütes ist es, welche Siege erkämpft. Ficht e. * Wie kann man sich selbst kennen lernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber <lurch Handeln. Versuche deine Pflicht zu tun und du weißt gleich was an dir ist. Was aber ist deine Pflicht? Die Forderung des Tages! G o et h e. * Feiger Gedanken bängliches Schwank,en, weibisches Zagen, ängstliches Klagen wendet kein Elend, macht dich nicht frei. Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten, nimmer sich beugen, kräftig zu zeigen, ruf,et die Arme der Götter herbei. • G o et h e. 69

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