Oberösterreichischer Volkskalender 1928

' \ '\ \ ,,Ist wohl die Ahnl ?" fragte ich )redämpften Tones die Kellnerin. ,,Wohl, wohl! In die achtzig schon." So''{eise das Gespräch begann, d:;,-,. alte Mütterch~n hat u~~ schon ~ehört un~ n 1 cl'htet sich ~ül~sa~ auf im Lehn– stuhl. ,,Wer 1scht da? fragt die Ahnl mit · arrem Blick ms teere. ,,Wolltern a Fremder, Großmutter." Das blinde Frauerl murmelt: ,,So, so!" 1 nd sinkt wieder in sich zusam- m~ ~ Nun das Mütterchen wach ist, kann ja Wtieder laut ge,3prochen werden, zur sichtlichen Freude der Kellnerin, die di~ Neugierde arg genug quälj. Kommen so sowenig Leute da herein in die \Einöde des weltverlassenen Tales, Hausierer, ab und zu der kontrollierende, Gendarm, sowie der Kurat zum Messelesen im kleinen Kirchlein. Das G1:spräch kommt rasch im Fluß, besonders da ich auch nach der Wirtin .fragte. Ischt keine da! heißt es. Und der Wirt? Ischt auch nimmer da. Ja, wem g'hört denn dann 's Haus? _ \ 1 1 Der Arm der Kellnerin deutet auf das alte Mütterchen. Also, weggestorben. Ja, liegen alle draußen im Freithof. Da die Kellnerin das Wort „alle" so sehr betonte, wi:t-;rd .ich aufmerk– sam und beschloß, zum Friedhof hinüberzugehen. Ruck~ck und Berg– stock kan11 ja die Marie indes aufbewahren. Geschäftig begle}~t das~Mädel mich bis zum Tor und sagt, die Gräber lägen rechts vom Eing,1ng u-ud rich– tig fünf Gräber nebeneinander mit gleichen Kreuzen, vier :Männt1rgräber und ein Frauengrab, auf dessen Kreuz die ungelenke Hand de~ Dorfmalers etwas gemalt hat, das Aehnlichkeit mit einer Leber hat. Auf dem Rückwege erwartet mich die Kellnerin bereits und versichert, es hätt' seine Richtigkeit mit der Leber. Ja,war denn die verstorbene Wirtin leberkrank? Na, die hat a weiße Leber g'habt. Was? Ja, a weiße Leber. Jetzt interessierte mich die Sache .und bereitwillig erzählte die Kell– nerin. DieWirtin war schon als Mädel schier ein Unglück fürs Dorf. Ein bild– sauberes Deandl war sie, eppas Geld war a da und unter den Burschen gab es ein Geriß um das Deandl, das zu bittersten Feindschaften und gar zu Totschlag führte. Wenn's recht durcheinander ging und die Burschen rebellisch wurden, hat das drahrige Deandl die größte Freud' g'habt. Die Ahnl hat allweil abg'wehrt und zugred't, aber umensunst. Nur so viel hat die Ahnl durchg'setzt, daß das Deandl do einen einmal geheirat't hat. Na war doch im Dorf wenigstens unter den Burschen a Ruah. Aber dafür ging im Haus der Spektakel an und der erste Mann hatte ein Höllenleben. Er griff zum Schnaps und nach kaum einem Jahr trugen sie ihn "hinaus. Wie das Trauerjahr um war, ging die Anklopferei wieder an und die Wittib machte e.inen auswärtigen Metzger zum Wirt und Herrn. Das gab im Dorf Verdruß, wurde als Zurücksetzung der Einheimischen ausgelegt. Aber der zweite Mann war kreuzbrav, fleißig, schaute auf die Wirtschaft und brachte die Oekonomie in die Höh'. Ein glückliches Leben war es aber auch nicht. Etli fünf Jahr dauerte es, dann wurde der zweite Mann krank und starb. Dann wurde ein Einheimischer Wirt und dritter Mann. Vom Vertragen war aber auch keine Rede, er jammerte, es sei nicht auszuhalten mit der 68

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