Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Seit vier Tagen fehlt der Loidl Sein Weib ist ganz außer sich und flennt sic,h die Augen aus. Die D'· ,1 hat sie schon auf alle Almen der Um– ,,, g~end geschickt, nirgends wei f' man 'Yas vom Jäger, niemand h:1-t i_hn geseb-~~- In det Verzweiflung ma_cht s1eh, da_ alles Warten vergeblich 1_st, das Vv elD endlich auf und matschiert den weiten Weg zur Gendarmerie– .station, um d9rt Anzeige zu n1achen. .Man fahndet eifrig nach dem Ver– , schwundenen, die Bauern unc'l Sennermnen durchforschen das ganze Re- / vier von Baum v1 Baum und aie Geißbuben kraxeln in den Wänden herum und suchen und rufen daß 0 as ganze Gamsrevier in Rebellion gerät und das Hochwild scharen~eise tns Nachbargebiet hinüber wechselt. Das ist den Bauern wurscht, sie v ollen den Jäger finden, weil ihnen sein armes Weib und die kleinen Killfier erbarmen. Schier drei Tage suchen sie schon, da in einer schier-unzugänglichen Schlucht finden ein paar Holz– knechte am dritten Abend einen Fleischklumpen, an den Füßen aufgehängt an einem Fichtenstamm, der Kopf in einem Ameisenhaufen steckend. An– gefressen und angenag;t von Füchsen und Ameisen, doch ohne Schuß- oder Stichwunde der Loidl - tot. Wer das getan? Alles schreit, der Naz, aber wo ist der Naz? Gesehen hat ihn seit MonatrJn keiner, er ist so gut verschollen; wie der Loidl tot. Und der Tote kann nicht reden. . ........... ............ Die weiße Leber. Vor ,Jahren kam ich auf einer Gebirg,Wanderung in ein stilles Dorf und steue te sogleich dem großen Wirtshaus neben der Kirche zu, vor dessen Eiugang ein mächtiger Metzgerhund schläfrig Wache hielt. So • widerhaarig diese bissigen Köter gegen fechtende Handwerksburschen sind, den Gast unterscheiden sie sofort vom Vaganten und begrüßen ihn schweifwedelnd. Im Flur ist's angenehm kühl, während draußen die Juli– sonne erbarmungslos herabbrennt. Alles steht angelweit offen im Hause, man sieht in die Küche, in die Stuben, breit ist der Eingang der rauchge– schwärzten Wirtsstube offen, an deren kleinen, bleigefaßten Fenstern Geranien und Nelken üppig blühen, durch die ein ne.ugieriger Sonnen– strahl sich ins Zimmer stiehlt. Auch hier niemand? Doch, hinten im schattigen Plätzchen am Ofen sitzt ein altes Mütterchen traumumfangen. Wie schade, daß der Schlaf der Ahnl gestört werden muß, allein der Durst ist ein unerbittlicher Herr, der nach der Kellnerin verlangt. Doch da kommt sie ja, die ländliche Hebe, die natiirlich Marie heißt, wie fast alle Kellnerinnen mit der breiten Geldtasche an der rechten Seite. Wie's mit dem Getränk wär'? 'n guaten Roten hätten' wir schon! Also her damit und a Springerl (Sodawasser) dazu. Dann setzt sich die Hebe mit dem unver– meidlichen Strickstrumpf an den nächsten Tisch und neugierig wird der Fremde beguckt. Still wie in der Kirche ist's in der kühlen Stube, die Fliegen summen am Fenster, eintönig tickt die Uhr im braunen Verschlag in der Ecke, von fern gedämpft der Schlag der Kirchenuhr, bisweilen kräht ein Mistkratzerl und Hennen gackern es in die sonnendurchglühte Berg– welt, daß sie eben wieder ein Ei gelegt. Das alte Mütterchen nickt am Ofen und seufzt bisweilen auf. 67 5*

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