Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Die Hauptsymparthie begann am ersten Tage nachts dreiviertelzwölf Uhr. Während der Kramer seine Gebete murmelte und innerlich seinen Einfall verwünschte, saß der Symparthiebauer vergnügt am Kramertisch und trank eine Maß nach der andern, wie auch die Kramerzigarren, das Stück zu zehn Pfennig, immer weniger wurden. Wenn dem Kramer die Augen zufallen wollten, rief der Bauer ihn wieder wach, denn der Schlaf verscheuche die Symparthie. Punkt dreiviertelzwölf Uhr verlangte nun der Bauer eine Schere und schnitt dann mit derselben dem Kramer den Nagel des kleinen Fingers der linken Hand ab. Mit großer Sorgfalt mußte dieser Nagelabschnitt in ein Leinenläppchen verpackt werden. Dem aufhor– chenden Kramer erklärte der Bauer nun, daß dieser verpackte Nagel unter den bewußten Apfelbaum vergraben werden muß. Aber der Kramer müsse fürchterlich aufpassen, daß ihn niemand sehe bei diesem Geschäft, sonst helfe alles nix und die Symparthie sei „umensunst". Da es just bei der ersten Fingernagelbeerdigung regnete, was vom Himmel fallen konnte, fluchte der Kramer unter dem Apfelbaum nicht wenig und noch mehr fluchte er während der Nacht, denn der kalte Nachtregen war seinem Schultergelenk gerade nicht förderlich gewesen. Der Bauer hatte während der Nagelbestattung gemütlich sein Bier ausgetrunken und sich dann zur Ruhe begeben. Als der Kramer pudelnaß ins Haus zurückkehrte, schnarchte der Bauer bereits. Am zweiten Tage kam der Ringfinger zur Beschneidung unter denselben Formalitäten, nur mit dem Unterschied, daß es statt Wassertropfen gegen Mitternacht Graupeln regnete. Der Kramer wollte streiken, aber der Symparthiebauer ließ nicht locker. So kamen alle zehn Finger sukzessive an die Reihe und zehnmal mußte der bereits fochsteufelswild gewordene Kramer die Bestattung seiner Nägel unter dem Apfelbaum zu nachtschlafender Zeit vornehmen. Wenn indes der Kramer am zehnten Tage geglaubt hatte, die Prozedur habe nun ein Ende, so befand er sich auf einem argen Holzwege. Der Symparthiedoktor hatte es auf weitere hundert Mark abgesehen, weshalb auch noch die zehn Fußzehennägel abgeschnitten und begraben werden mußten. · Was die Zechgenossen im Bräustübl über ihren so plötzlich abtrünnig gewordenen Konkneipanten sagten, konnte der mittlerweile ganz rabiat gewordene Kramer nicht hören, denn er mußte ja Hausarrest halten seiner Kur wegen und stand außer jeden Verkehr. Er wollte zwar einmal aus– reißen zu einem Dämmerschoppen, wie sich die Abendschatten senkten, aber der verflixte Bauer verhütete solch ungeheuerliche Unterbrechung der Symparthiekur. Die Zechgenossen rochen übrigens bald Lunte und einer aus dem Kreise brachte die Geschichte gelegentlich eines Zigarren– kaufes im Kramerladen rasch heraus. Das gab ein großartiges Gelächter auf Kosten des Abwesenden und rasch war der Plan zu einem kapitalen Jux fertig. Eine stürmische Nacht wurde abgewartet und wenige Minuten vor Mit– ternacht schlich die ganze Tafelrunde an den Gartenzaun des betörten Kramers. Richtig kam derselbe zur Geisterstunde mit Pickel und Schaufel angehumpelt und übergab einen weiteren Nagel seiner Zehen der kühlen Erde. Wie es vom Kirchturm zu schlagen begann in feierlichen Glocken– tönen, da flammte plötzlich rotes Licht auf und vom bengalischen Feuer bestrahlt stand der Kramer vor dem Apfelbaum, begrüßt von einem wie– hernden Gelächter seiner Kneipgenossen. Mit einem Fluche auf den Lippen stürmte der Ueberraschte in das Haus. Am nächsten Morgen lachte das ganze Dorf, die Heiterkeit erreichte 64

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2