Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Der Sympathiebauer. Es gibt Leute, die auf Sympathiemittel in Erkrankungsfällen mehr _geben, als auf den gescheidtesten Medizinalrat und vorwiegend das Ge– birgsvolk hält mit der ihm eigenen Zähigkeit an Kurpfuschern, Quacksal– bern und Sympathiemitteln fest. ·Nur in chirurgischen Fällen wird _gewöhnlich der Bader aus dem Dorfe geholt, bei inneren Leiden oder Rheuma aber stets zuerst die „Symparthie" angewandt. Schier jede Ge– gend hat hierin ihren Spezialisten, dessen Ansehen um so größer ist, je reichhaltiger sein „Wissen" in der „Symparthie", d. h. je mehr geheimnis– volle Mittel er in Anwendung bringt. Vor beiläufig sieben Jahren galt ein Einödbauer in Nähe eines großen -0berbayerischen Gebirgsmarktfleckens als ausgezeichneter Symparthiedok– tor, der eine gewiß viermal größere Praxis ausübte, als der Bezirksarzt .c;elbst. Der pfiffige Bauer ließ die Feldarbeit durch die Ehhalten verrich– ten, er selbst aber „dokterte", wie einst die Doktorbäuerin mit ganz unbe– greiflichem Erfolg. Das Landvolk war schier damisch geworden und ganz versessen auf diesen Symparthiemenschen, aber auch Leute mit etwas mehr Aufklärung, ja selbst gebildete Personen glaubten Versuche zur Heilung mit Sympathiemitteln machen zu sollen. Wollte jemand darüber lachen, so entschuldigte man den Versuch als Jux und Scherz, während man eigent– lich doch an eine heilsame Wunderkraft glaubte. Vom Symparthiebauern hatte damals auch der Kramer eines Dorfes am - See gehört, den heftige Schmerzen im Schultergelenk (Rheuma) pei– nigten. So ziemlich alle Salben und „Geister" hatte der Kramer schon angewandt, aber der Reißmathias (Rheumatismus) wollte nicht weichen. Der „Hetz" halber, sagte er im Bräustübl, probier ich, weil die Doktoren a nix wissen, jetzt dem Sympartiebauern seine Kur und hilft's nix, so .schad't 's nix. Die Zechgenossen lachten darüber nicht wenig, daß der Kramer sich so bäuerisch reaktionär im Glauben zeigte, denn die wußten alle, daß er künstlerische Ausbildung genossen und das Zeichnen auf der Münchner Akademie gelernt hatte. Wäre ja heut ein Maler, _wenn der Kramer damals nicht so schwer krank geworden und später ihm das Geschäft vom Vater zugefallen wäre. Richtig, der Kramer fährt in seinem Einspännerwagerl flott über Land und handelt mit den Einödbauern aus. War erstens schon ein Riesenglück, daß der Bauer z'Haus war bei seiner großen und ausgedehnten Praxis. Wie der Kramer von dem langjährigen Reißmathias im Schultergelenk erzählte, kratzte sich der Bauer hinter'm Ohr. Statt aber zu fragen, ob das Kramer– haus recht feucht sei, fragte der Bauer, ob der Kramer, im Garten einen - Apfelbaum habe. Der Kramer bejahte dies, worauf der Bauer mit vieler "\Vürde auseinandersetzte, daß der Fall sehr schwierig, das Uebel aber nach längerer Zeit zu beseitigen sei, nur könne der Fall nicht im Einödhof behandelt werden, weil der Bauer stets dabei sein müsse, wenn der Kramer „symparthiere". Als Honorarbedingungen stellte man fest: Vollständige Verpflegung und Quartier im Kramerhaus, zehn Mark täglich bar, abends vier Maß Bier und Freizigarren. So viel für den Bauern. Der leidende Kramer aber muß täglich früh einen Rosenkranz ums Dorf rum beten, sehr diät leben, darf beim Mittagessen kein Wort sprechen, nach Tisch ja nicht chlafen. Von abends zehn Uhr bis dreiviertelzwölf Uhr nachts muß der Kramer halblaut Rosenkranz beten, darf aber beileibe keinen Schluck Wasser oder ein anderes Getränk zu sich nehmen. 63

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2