Oberösterreichischer Volkskalender 1928

gehen bringt Konflikt mit dem Forstschutzgesetz und mit den Forstleuten steht der Adam schon lange Jahre auf Kriegsfuß. In Servitutswaldungen der Bauern kommt es vor, das gutherzige Leute dem Loder das Pechsam– meln gestatten, freilich nicht gerade zum Nutzen des Forstes. Aber was scheren sich die Bauern um forstgerechte Behandlung des Waldes; schla– gen was brennbar ist und für die Aufforstung soll der liebe Gott sorgen. Freilich die kaiserlichen Forstleute, die tun, als gehöre die ärarische Wal– dung ihnen persönlich und lassen einem armen Teufel nicht einmal das Bißl Pech abklauben, das die Tannen ausschwitzen. Also das Pechern ist verboten, aber grad extra deswegen geht der Adam pechern und je öfter man ihn deshalb abstraft, desto fleißiger sammelt er das Harz, für das er wenige Kreuzer erhält. Erwischt ihn ein Forstwart beim Pechern und wird der Adam vor den Bezirksrichter geführt, dann pfeift der Damerl (Name für Adam) auf jeden Rechtsbeistand, er läßt sein Mundwerk laufen wie ein Mühlenrad und in der ersten Zeit ist es ihm wahrhaftig gelungen, den Richter durch sein treuherziges Auftreten rumzukriegen. Da jammerte der Adam über sein hohes Alter, das ihn zur schweren Bauernarbeit un– tauglich mache, er schilderte mit hinreißender Beredsamkeit die Qualen des Hungers, daß die Zuhörer schier das Knurren des leeren Magens zu vernehmen meinten. Und was das Pechern anlangt, so sei ihm das von verschiedenen Bäuerinnen „verlaubt" worden. Später allerdings kam auch der gutherzige Richter dem Loder auf die Schliche und die Strafliste wuchs zu bedenklicher Länge und sein Akt schwoll immer mehr an. Die höchste Strafe erlitt er vor kurzem und seine Abhandlung vor Gericht erregte das Interesse des ganzen Oberennstales. Hoch droben in der Almregion des Viehberges, in einer idyllischen Hochtalmulde, ,,Sauboden" genannt, von wo aus man den eisgegürteten Dachstein in den Aether ragen sieht, hat der Bettellods-Adam den harz– reichen Waldbestand sich zum pechern ausersehen. Ihn schreckte nicht der mühsame Aufstieg durch die Bergwildnis auf schauerlichem Pfade, nicht Nacht noch Sturm. Als Kind rauher Eltern aufgewachsen im Hoch– land, vertraut mit allen Gefahren des Gebirges, an die härtesten Entbeh– rungen gewöhnt, klettert der siebzigjährige Greis heute noch mit der Gemse um die Wette und schleicht trotz der Ungetüme von eisenbeschla– genen Bergschuhen geräuschlos über die felsigen Pfade. Der Himmel mag bershm und Wolkenbrüche herabprasseln, der Damerl steigt unentwegt aufw::irts und seine „Lichter" durchbohren die finstere Nacht wie Katzen– augPn. Eine Schauernacht war's, wie der Adam von der „Rahnstuben", einer Holzknechthütte zwischen himmelanstrebenden Felswänden, über den ,,Bruch'' aufwärts strebte. Gegen den schweren Regen schütze ihn der um– geworfene „Kotzen", ein grobes Stück Steirerloden, die nackten Kniee sind das Naßwerden schon gewohnt. Die Nacht im Freien zuzubringen, ist für den Adam nichts von Bedeutung. Früher \var's freilich schöner, da war dAr Damerl ein fescher, schneidiger Bursch,.'. dem manche Sennerin beim Almbesuch freiwillig das Stückchen Zucker in den Schnaps gab, was im steierischen Hochland eine herzerfreuende, minnigliche Bedeutung hat. Die „zuckersüße Liab" ist hier buchstäblich zu nehmen und ,,'s Fensterl– gehen" überflüssig, wenn der Enzian oder Vogelbirene (Vogelbeerbrannt– wein) durch die Brentlerin gesüßt ist. Damals hat der Adam auf solche Schnapsspende allemal gleich gesungen: ,,Deandl, wo hast denn dei' Liegerstatt" - - Vergangene Zeiten das! - Jetzt kriegt der alte Damerl · keinen Zucker mehr in den Schnaps und vom Uebernachten ist auch keine 61

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