Oberösterreichischer Volkskalender 1928

beim Hacken und Schlagen und sammeln sich über uns. Schon mehrmals haben sie sich diese Tage übel bemerkbar gemacht. Des Steigers Benzin– lampe erlischt bei seinem Kommen, und das Atmen fällt schwer. Unsichtbar reckt der Tod seine Hand. Jürn, der die Verantwortung trägt, ist seitdem seltsam still. - Wir sind am Staffel. Zwar das Fahren in ihm ist verboten. Doch wozu erst die engen Fahrten klimmen! Wir werden schon früh genug müde. ,,Also, Bremser, hängen!" Als der kleine, offene Korb unten aufstößt sind wir bald vor Ort - Kohlennummer 210 - 780 Meter unter Tage. Die beiden anderen Hauer haben sich gerade entkleidet. Bei der Temperatur von + 32 Grad Celsius arbeiten wir nackend. ,,Glück auf!" - ,,Glück auf!" Jürn mustert den Ort, die Morgenschicht ist gut vorangekommen - das Hängende über uns ist abgestürzt. Für unsern Jürn nicht genug. Mit dem Daumen nach oben weisend, brummt er: ,,Sargdeckel". Ueber uns im Geröll hängt ein mächtiger Felsblock. Fällt er herab, dann kann er unser Sargdeckel werden. Mit einem Neunfüßer (neun Fuß langer Stempel) stützen wir den Stein. Dann schlagen die Schlägel, rauscht die stürzende Kohle. Von den Schaufeln fliegt sie polternd in den Wagen. Der Schweiß fließt und gerinnt, vom Kohlenstaub gebunden. Die weißen Körper sind im Nu kohlen– schwarz. Unheimlich sticht das Weiß der Augen aus den triefenden schwarzen Gesichtern hervor. Die Luft ist zum Schneiden dick - kaum gelingt es den Lampen noch, diese Kohlenstaubschicht mit ihrem Licht zu durchdringen. Der Mund ist ausgetrocknet. Kein Wort fällt. So geht es Stunde für Stunde. - Wieder ist ein Wagen voll - rollt zum Staffel - gerade geht Jürn zur Gezähkiste, um einen Schluck schwarzen Kaffee zu trinken - da - da ist plötzlich alle Dunkelheit verschwunden. Feuer ist um uns, für den Bruch– teil einer Sekunde. Dann umhüllt uns wieder Finsternis, die nach dem Blitz noch undurchdringlicher erscheint. Zu gleicher Zeit donnert, dröhnt, knackt, bricht, rieselt es - um mich stürzen Kohlen - oder sind es Steine? Dann nach Sekunden - oder sind's Stunden? - merke ich, daß ich liege, meine linke Schulter schmerzt, totenstill ist es. Entsetzt fahre ich auf, reiße aus dem Geschütt vor mir eine noch brennende Lampe, falle wieder hin. Die Stickluft hemmt jede Atembewegung. Mit aller Kraft stehe ich noch– mals auf, taumele zum Staffel, an das Rohr: ,,Hal - lo - - Hal - lo -– -", und, als von oben eine Stimme kommt, mit überschlagender Stimme: „Schla - gen - de - - Wetter - Kohlen - nummer 2-10 - der Stei - - -", dann weiß ich nichts mehr. Die Rettungsmannschaften holten uns. Nur Hautabschürfungen und leichte Gasvergiftungen waren zu verzeichnen. Ein beim Schlagen erzeugter Funke hatte die Gase entzündet. Der Sargdeckel war zugeschlagen . . . Der Sarg jedoch war leer ge– blieben. 57

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