Oberösterreichischer Volkskalender 1928

aus. Alles brach!es Land; reizlos und nutz– los, da die sengenden Sonnenstrahlen nichts besseres aufkommen lassen als trockenes, strohiges Gras. Keine Wiesenblume mil– dert die Eintönigkeit und nur um kleinere Ansiedlungen sieht man frisches Grün. In der Nähe der Wälder aber, wo der Schatten der oft unglaublich br,eilen Baumkronen den Boden vor der Sonne schützt, kommt erst die Natursch.önheit zum Ausdruck. Alle Arten exotischer Sträucher, herrlich im Blüten– schmuck, gemischt mit anderen Pflanzen und Palmen machen den Eindruck eines Kunst– parks· und ein Ausflug in die nahen, aller– dings nicht allzu hohen Berge lohnt sich, wenn man von dem Ungezief.er absieht, wel– ches dort kreucht und fleucht. Reißende Tiere, außer Leoparden ähnliche und den Menschen scheuende Katzenart gibt es eigentlich nicht, aber Schlangen in allen Größen (im Zoologischen Garten in Rio de Janeiro befindet sich gegenwärtig ein Exem– plar von 8 Meter Länge), giftige Spinnen (eine Art davon ist die Vogelspinne, welche die Nester der Vögel aufsucht und den Jun– gen das Blut aussaugt, und deren Biß auch dem Menschen gefährlich wird) und eine Unmenge lästiger Insekten. Zu Zeiten kommt man ohne ein paar Dutzend „Zecken" von einer derartigen Exkursion nicht zurück. Da die Tierchen ungefähr viermal l<Leiner sind als unsere, so findet man sie erst nach und nach, es vergehen oft Wochen, bis man sie alle los bekommt. Ameisen gibt es bis zur Größe von Bienen. Einige Arten führen ein echtes Nomadenleben. Wehe, wo sich ein solcher Schwarm .niederläßt; er schont weder Strauch noch Baum, das letzte Blatt muß fallen. Eine andere Art zieht in Häuser und sind bei den Landbewohnern nicht un– gern gesehen, da sie buchstäblich Haus– reinigung halten, um nach getaner Arbeit ·wieder friedlicJ,1weiterzuziehen. Unangeneh– mer ist der Sandfloh, welcher es besonders auf d1e Zehen der frisch Eingewanderten ab– gesehen hat und dort auch seine Eier ablegt. Im Baum- und Strauchgebiet gibt es aber noch anderes Getier, daß sind die farben– prächtigen Vögel, einer schöner wie der an– dere. In dichteren Wäldern Affen, Faultiere · usw. Der kleinste der Vögel ist der Kolibri, welchen der Brasilianer „Blumenküsser" nennt, sehr fleißig auch die Stadtgärten auf– suclit und ganz ähnlich' wie unser Tauben– schwanz von einer Blüte zur anderen schwärmt. Nicht unerwähnt lassen darf man die Unmenge aller Arten von Schmettedin– ge, für -einen Liebhaber das reinste Para– dies; ist doch dieses Land neben Indien das Eldorado der Falter. Gar nicht weit braucht man mit der Bahn zu fahren, um einen richtigen Urwa'1d zu sehen. Um in ihn einzudringen, muß erst von kundiger Hand ein Weg geschlagen wer– den, denn alles ist durchstrickt mit oft arm- dicken Schlingpflanzen. Und bis weit hinauf am mächtigen Stamm wuchern sie, dem Lichte zu. Selbst die Baumkronen sind voll von allerlei Parasiten. Und mancher, den Elementen zum Opf<er gefallene Baumriese zeigt uns die wunderbare Orchideenpracht, deTen es in Brasilien nach hunderten Arten gibt und im großen ausgeführt werden. Ein Vogel ist noch erwähnenswert. Er hält sich, gleich den Tauben bei uns, nur in Städten und Siedlungen auf und ist sogar gesetzlich geschützt, obwohl er sehr häßlich ist, nämlich eine Art Aasgeier. · Jeder Kadaver, vom kleinsten bis zu dem eines Pferdes wird voll' diesen gefräßigen Raub– vögeln in kurzer Zeit mit „Stumpf und Stiel" verschmaust. Da der VerwesungspTozeß in dem warmen Klima rasch vor' sich geht, ist einleuchtend, daß diese Tiere von unschätz– barem Werte sind. Fährt man einiige Stunden ins inniere Land, sieht man oft nichts ""ie Kaffee- und Zuckerrohrpflanzungen, 'welche der Land– schaft ein recht eintöniges Bild geben. Das Leben auf solchen Plantagen ist das stupi– deste, das man sich denken kann. Bedauerns– wert jeder einigermaßen zivilisierte Euro– päer, der sein Leben dort mitten unter den primitiven Menschen verbringen muß. Er sinkt zur Null - der Sträfling hat wenig– stens eine Nummer. Einen Bauern in unserm Sinne gibt es in der Paulistaner Gegend nicht. Gemüse zie– hen spezielle Gärtnereien. Für den Fleisch– bedarf sorgen hauptsächlich Viehr.iüchter im Innern des Landes, die Milch die Molkereien in Stadtnähe. Nur Geflügel, Eier, Honig etc. wird von Kleinlandbesitzerll' her-beigeschafft. Dann gibt es Orangenhaine, viele andere fruchttragende Baumanlagen, Bananen-, Ananas- und andere Pflanzungen. Nur den Aepfeln taugt das Klima nicht recht, werden aber vom nahen Argentinien eiingefüh[·t. Der Brasilianer ist ein besonderer Freund für Kunst und Wissenschaft, er unterstützt beide Gegenstände auch finanziell in ergie– biger Weise. Ihm stehen gute Volks-, Mittel– und Hochschulen für seine Kinder zur Ver– fügung und wenn es die Mittel erlauben, schickt er seine Söhne nach Europa oder Nordamerika zum Studium und so wird sein Nachwuchs immer mehir in geistige Fühlung mit anderen hochentwickelten Ländern ge- . bracht. * Seit dem Weltkrieg hat sich Brnsilien ebenso wie viele „abseits" liegende Staaten emanzipiert und verarbeitet einen großen Teil seiner Rohstoffe nun selbst. Die Indu– strialisierung macht große Fortschritte, so daf3 die Landwirtschaft nicht Schritt halten kann, daher die Werbung von Landarbeitern seitens der Regierung und Gründung spe– zieller Kolonien für Einwanderer-Gruppen. J o s e f H -e h e n b e r g. 53

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