Oberösterreichischer Volkskalender 1928

Innern des Landes ihre Fazenden haben Leben, sehen viel auf Bequemlich~eit und und zur Erntezeit für 1-2' Monate dorthin ihre KörpeTfülle hebt sich gegen die der Män– reisen. Gegen den Mittelpunkt der Stadt ner besonders ab. Die Speisekarte rich– neuzeitliche Geschäftshäuser, imponierend tet sich wie hier nach der G.eldtasche, doch im Fassadenschmuck. Eine· Markthalle mit auch auf dem Tisch der Reichen müssen täg– ihr<' !l l.'.,.meuge" yon Südfrüchten wie Ba- lieh Bohneru und Reis vertreten sein. :,anen, Oranger.,, Mangas, zur Erntezeit ganze Trotz des warmen Klimas ist der Brasilia– Berge von Ananas und anderen hier unbe- ner ziemlich lebhaft und sein heiteres Tem– kannten Früchten, da sie scheinbar nicht perament läßt ihm alte Freuden, welche sich _exportfähig sind. An manchen Straßen ihm bieten, sorglos genießen. Außer den blüht das Schuhputzergewerbe. Man setzt größeren Konzerten in Restaurants gibt es. sich bequem unter dem schützenden Schirm in den vielen Cafes jeden Abend zumin– in den Lehnstuhl und für wenig Geld wer- dest ein Streichsextett (meistens Italiener), d•m die Schuhe wieder tip top. welche tadellose, zum Großteil klassische Das Herz der Stadt bilden drei nicht allzu- Musik liefern. Für Theaters (meistens ga– breite Straßen, welche ein Triangel bilden, stierende italienische oder französische und in diesem sieht man das eigentliche Künstlertruppen)', Tanz und Spiel ist eben– Geschäftsleben und Treiben. Man darf sich falls genügend gesorgt. Bemerkt sei hier dabei aber nicht ein Hasten und Rennen der Karneval, welcher besonders festlich denken wie in Nordamerika, sondern alles begangen wird. Die ganze Stadt nimmt reguliert sich auch langsamer; das warme daran teil. Er beginnt mit einem imposan– Klima scheint dies zu bewirken, schwankt ten Festzug, worauf sich das gegenseitige doch die Temperatur zwischen 18 bis Bewerfen mit Confetti (runde, bunte Papier- 22 Grad. Man trifft da alle Rassen von schnitzel) und Bespritzen mit Parfüm an– i\Ienschen. Neger, Mulatten, Kreolen, India- schließt und, begleitet vom Lärm der Kin~ ner, J•apaner usw. bis zum Weißen. Außer dertrompeten und ähnlichem Spielzeug, bis den zahlreichen Restaurants finden wir viele gegen Mitternacht dauert. Kaffeehäuser, welche stets stark frequentiert Wer gut verdient, wird sich dort bald ein– sind, da sich dort die meisten ortsüblichen leben, wenn einem sonst das Klima zusagt. Geschäfte abwickeln. Der Brasilianer trinkt Die erste Zeit leidet jeder frisch Eingewan– viel Kaffee, natürlich keinen schlechten, und derte besonders unter der Mückenplage, die scheint seine Ansicht, daß heißer Kaffee dem keine Nachtruhe zuläßt. Weilers mundet Körper bekömmlicher als eiskaltes Bier, einem das warme Wasser nicht. Dasselbe welch letzteres die Deutschen als Abkühlung wäre sonst einwandfreies Quellenwasser. Da bevorzugen, nicht ganz unberechtigt zu sein. jedoch die Zuleitung durch Zementr.öhren Interessant sind manche Firmenbezeichnun- von weither geschieht und diese teilweise gen. Bei einem Kleiderhändler steht z. B.: oberirdisch liegen, sorgt die Sonne während ;,zum König der Billigkeit". Ein Schneider des Weges zur Stadt für unliebsame Abküh– schreibt: ,,Zur goldenen Nadel" usw. Auf- lung. Durch den Klimawechsel leidet auch fallend ist die Reinlichkeit der Straßen. Den das Wohlbefinden und bei manchen dauert Verkehr mit den verschriedenen Stadtvierteln es Jahre, bis sich der Körper angewöhnt. vermittelt die elektrische Straßenbahn. Meistens sind es Frauen, die am meisten Der Brasilianer selbst ist sehr liebens" darunter leiden. würdig, -erwartet aber ebenso behandelt zu In der inneren Stadt liegen die Wohnhäu– werden. Beim Verkehr mit öffentlichen ser der Arbeiter und Angestellten gemischt Beamten erTelicM man mit Höflichkeit alles, mit denen schöner Residenzen, doch die in energischer Form ist ein Erfolg ausge- neueren Stadtteile bilden ziemlich einheit– schlossen. Trieffen sich zwei gute Bekannte liehe Viertel und gibt das Aussehen von nach längerer Zeit (auch auf der Straße), da außen der Nation sein Gepräge. Mit weni– gibts eine herzliche Umarmung, wobei die gen Ausnahmen hat jedes Haus seine eigene rechte Hand den Freund mit kosenden Wasserleitung, in de1• Stadt außerdem noch Schlägen auf die Schulter klopft. Das erste Gas und elektrisches Licht. Die Miete im all– Gespräch dreht sich um das Wohlbefinden gemeinen dürfte ein Fünftel des Lohnes des Betreffenden, das seiner Frau und der ausmachen,. Dann gibts ganz exquisite Kinder, jedes sµeziell benannt, und schließ- Stadtviertel, welche, der Neuzeit ,,n; 5cpnßl, lieh folgt die Einladung zum Mittag- oder nur moderne Villen aufweisen, darunter Abendessen, je nach der Tageszeit. Letzteres wirklich architektonische Perlen. Und hier ist nur Formsache und wird von dem Einge- bekommt man auch einen Begriiff von der ladenen gewöhnlich ein Grund vorgeschützt, tropischen Flora, welche, von kunstvoller dieser Einladung nicht Folge leisten zu Gärtnerhand gepflegt, für den Naturfreund können. Bei dem gelegentlichen Besuch eine Augenweide bilden. eines Gesellschaftsabends einer brasiliani- Da Sao Paulo ziemlich hoch gelegen, kann sehen Familie wird man meistens die Ge- maru von manchen Punkt,en weithin irus Land schlechter getrennt versammelt finden. Die sehen. Fast endlose Grasflächen, kleine Frauen vergnügen sich nach ihrer Art. Sie Waldinseln und vereinzelnd oder in Gruppen halten sich ganz fern vom geschäftlichen stehende Palmen dazwischen, dehnen sich da 52

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